Ersten Berichten zufolge sollen in der Stadt Wukari im Bundesstaat Taraba im Osten des Landes am Freitag 39 Menschen ums Leben gekommen sein; weitere wurden verletzt. Doch die tatsächliche Zahl der Opfer könnte weitaus höher liegen, so die Zeitung "The Nation" (Sonntagausgabe). Anwohner berichteten von mindestens 130 Todesopfern und 70 zerstörten Häusern und Geschäften. Auch andere haben mittlerweile Zweifel an der von der Polizei veröffentlichen Zahl. Auch «This Day» aus Lagos geht von mindestens 100 aus.
Nach Polizeiangaben sollen inzwischen 30 mutmaßliche Drahtzieher der Unruhen verhaftet worden sein. Allmählich kehre in Wukari, wo unmittelbar nach den Ausschreitungen eine 24-stündige Ausgangssperre verhängt wurde, wieder Ruhe ein. Viele Bewohner hätten die Stadt allerdings aus Sicherheitsgründen verlassen.
Ausgebrochen waren die Unruhen am Freitagnachmittag bei der Beisetzung eines traditionellen Herrschers der Jukun. Die Jukun sind eine der dominierenden Ethnien in der Region und überwiegend Christen. Anhänger anderer ethnischer Gruppen, darunter vor allem Muslime, hätten sich von dem Leichenzug provoziert gefühlt, heißt es. Die Gewalt entlud sich - wie schon häufiger in Wukari. Erst im Februar waren 20 Menschen ums Leben gekommen; die Ausschreitungen begannen ähnlich.
All das sieht nach einem Konflikt zwischen Religionen aus. Doch tatsächlich dürften die Ausschreitungen vor allem andere Ursachen haben. Wie im Bundesstaat Plateau, der wohl am stärksten von ethnischen Unruhen betroffene Region in Nigeria seit Ende der Militärherrschaft 1998, dreht sich der Streit vielmehr um die Frage, wem Taraba gehört: Wer ist Einheimischer und wer Siedler?
Immer wieder blutige Ausschreitungen
Zu letzteren zählen hauptsächlich die mehrheitlich muslimischen Fulani. Sie ziehen seit Jahrhunderten mit ihrem Vieh durch die Region. Das sorgte zuletzt immer häufiger für Konflikte mit sesshaften Farmern, die über zerstörte Felder klagen. Gerade in Nigeria, wo die Bevölkerung rasant wächst und mittlerweile bei mehr als 160 Millionen Einwohnern liegt, wird der Weidegrund ohnehin immer knapper.
Für Mohammed Nuru Abdullahi, Vorsitzender der Viehzüchtervereinigung "Miyetti Allah", hat die Politik den Konflikt selbst verschuldet. "Seit der Unabhängigkeit wurden uns Weideflächen zugesagt, damit es nicht zu Auseinandersetzungen mit Farmern kommt", sagt er. Falls die Gebiete seit 1960 überhaupt ausgewiesen wurden, seien sie viel kleiner als angekündigt. Und die Politik habe nicht nachgebessert, im Gegenteil.
Ausschreitungen häufen sich. Nicht immer sind sie so spektakulär wie in Wukari. Zugenommen hat stattdessen das Phänomen der "silent killings", dem stillen Töten. Immer wieder werden in den betroffenen Regionen Todesopfer entdeckt, Viehhirten, Familien, deren Mörder meist nachts kamen und heimlich töteten.
Auch anderswo im Land gab es in der jüngsten Vergangenheit immer wieder blutige Ausschreitungen. Vor zwei Wochen soll sich das Militär im Baga, einem Städtchen am Tschad-See, schwere Kämpfe mit Anhängern der islamistischen Gruppe Boko Haram geliefert haben. Dabei kamen laut Menschenrechtlern 185 Personen ums Leben; die Regierung bezweifelt diese Zahlenangaben.