Woelki wirft FIFA-Chef Selbstüberschätzung vor

"Blatter auf die Bank!"

Kardinal Woelki hält die Behauptung von FIFA-Chef Blatter, der Fußball-Weltverband sei einflussreicher als jede Religion, für eine gewaltige Selbstüberschätzung. Im Interview empfiehlt er Blatter Besinnung "auf der Bank".

Kardinal Woelki mit Fanschal des 1. FC Köln (dpa)
Kardinal Woelki mit Fanschal des 1. FC Köln / ( dpa )

Kardinal Woelki: Die FIFA hat natürlich beeindruckende Zahlen vorgelegt, über 265 Millionen Kicker gibt es weltweit. Aber wenn ich mir anschaue, was wir Christen in den kommenden Tagen feiern werden, da werden weltweit über zwei Milliarden Christen Ostern feiern! Da sind Emotionen überall in den Kapellen und Kirchen, da feiern wir das Leben. Und die Christen sind so von dieser Botschaft begeistert, dass sie hinausgehen in die ganze Welt, um zu verkünden, dass Gott lebt, dass Christus lebt. Sie sind bereit, in die Slums dieser Welt zu gehen und für diese Botschaft einzustehen. Sie sind bereit aufgrund dieses Gottes- und Menschenbildes, aufgrund der österlichen Botschaft, Menschen zu helfen, die unter Not und Armut leiden. Und es gibt Christen, die für ihren Glauben sogar ihr Leben geben. Also das hat schon eine andere Dynamik als der Fußball. Bei aller Begeisterung für den Ballsport: Ich denke, der Herr Blatter überschätzt sich und seinen Verband da gewaltig. Sich hier mit Ländern oder gar den großen Weltreligionen zu vergleichen, das ist die totale Selbstüberschätzung. Da hat Herr Blatter ein ziemliches Eigentor geschossen. Dafür gehört er auf die Bank, um sich neu auszurichten und zu besinnen.

domradio.de: Aber auch Fußball begeistert die Menschen auf der ganzen Welt.

Kardinal Woelki: Natürlich ist Fußball total begeisternd. Das erlebe ich ja selber auch am eigenen Leib. Es ist aber trotz aller Rituale keine Religion. Religion will ja viel mehr sein. Bei der Religion geht es um die wichtigen, die wesentlichen Fragen: Wer bin ich? Woher komme ich? Was ist der Mensch? Was ist meine Zukunft, was kommt nach diesem Leben? Was macht mich im Letzten glücklich? Was macht mein Leben tief, und wie finde ich eine Liebe, die mich wirklich umfängt und die mich hält? Das sind doch Fragen, die die Religionen beschäftigen. Und hier will die Religion dann auch den ganzen Menschen in den Blick nehmen. Also: Emotionen sind wichtig. Aber es muss uns um mehr gehen. Fußball und Religion, man kann es einfach nicht miteinander vergleichen.

domradio.de: Auch die FIFA hat sich ja den Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Gesundheit auf die Fahne geschrieben…

Kardinal Woelki: Das finde ich ja auch toll. Jeder ist willkommen, der sich für diese Dinge einsetzt. Aber man muss auch sehen: Sehr viele Menschen erleben diesen Verband oftmals als wenig überzeugend. Oft geht es doch nur ums Geschäft. Es geht weniger um Frieden, Gerechtigkeit und Gesundheit, sondern vielmehr ums große Geld. Und wo viel Geld fließt, da ist der Weg oft kurz bis zur Korruption. Und da werden dann vielleicht auch manchmal Dinge entschieden, die nicht ganz so glücklich sind. Ich möchte hier als Beispiel nur die Entscheidung für Katar als Ausrichter für die Weltmeisterschaft nennen.

Man sollte Herrn Blatter beim Wort nehmen, wenn er sich für diese Werte einsetzen will. Dann können wir gleich heute damit beginnen. Jetzt in diesem Moment werden in Katar Stadien erbaut von Leuten, die unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften und hausen müssen. Die arbeiten müssen bis an die Grenzen ihrer Kräfte. Menschen, die nicht einmal kündigen können, weil man ihnen die Pässe abgenommen hat. Also: Wo Tag für Tag auf den Baustellen einer Weltmeisterschaft Menschen ihr Leben lassen, weil sie ohne Arbeitssicherheit, ohne vernünftige Arbeitsverträge ausgebeutet werden bis aufs Blut, dort sollten sich Herr Blatter und seine FIFA ganz konkret für diese Werte einsetzen, für die sie anscheinend stehen wollen.

Fußball ist ganz sicher ein begeisternder Sport, und das soll auch so bleiben. Aber ich glaube nicht an einen Fußballgott. Und erst recht nicht an einen "Halbfußballgott", der Herr Blatter wohl gerne sein möchte. Aber, wir nehmen ihn beim Wort. Ich bin gespannt, wie er und die FIFA künftig mit den Zuständen in Katar umgehen werden.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR