Seine "Gemeinde" umfasst normalerweise 15.000 Mitarbeiter, rund 17 Millionen Reisende und acht Millionen Flughafenbesucher im Jahr. Doch seit Beginn der Corona-Krise ist der Arbeitsplatz des Hamburger Flughafenpastors Björn Kranefuß (60) nahezu verwaist. Terminal 2 ist geschlossen, fast alle Läden und Restaurants sind noch dicht und viele Flughafen-Mitarbeiter in Kurzarbeit.
Die kleine Kapelle ist zwar noch geöffnet, doch Andachten und Gottesdienste finden seit Mitte März nicht mehr statt. Dennoch ist Kranefuß fast täglich auf dem Gelände und führt Gespräche mit den verbliebenen Mitarbeitern: "Die Menschen müssen ihre Sorgen zu dem allgegenwärtigen Corona-Virus loswerden. Ich bin ihr Ventil."
Die Atmosphäre ist gespenstisch. Wo sich vor der Krise Tausende Menschen tummelten, herrscht gähnende Leere. Es ist fast so, als sei eine Kleinstadt evakuiert worden. Auf den elektronischen Anzeigetafeln sind für den ganzen Tag lediglich 20 Maschinen angeschlagen, die noch auf dem Flughafen starten und landen. Vor Corona waren es täglich 450 Maschinen.
Zu Passagieren hat Kranefuß zurzeit deshalb kaum Kontakt. Sonst spendet er Gruppen den Reisesegen oder hilft Menschen bei Flugangst.
Obdachlose werden sichtbarer
Als zu Beginn der Krise das Reisen beschränkt wurde, hatte er viel zu tun. Eine aufgeregte Anruferin etwa machte sich Sorgen um ihre über 80 Jahre alten Eltern, die ihren Urlaub auf den Kanaren abbrechen mussten. Am Abend sollten sie in Hamburg landen, mussten aber weiter nach Berlin. "Die Frage war, ob sie den letzten Zug noch erreichen oder ein Hotel sie aufnimmt", sagt Kranefuß.
Da jetzt die Passagiere fehlen, werden die Obdachlosen deutlich sichtbarer, die sich regelmäßig auf dem Gelände aufhalten. Unter ihnen war eine Weile auch eine Frau aus Kroatien, die in Hamburg gestrandet war. Gemeinsam mit der Bahnhofsmission organisierte Kranefuß über ein EU-Programm einen Rückflug in ihre Heimat.
In den Gesprächen mit den Mitarbeitern wird deutlich, dass sie die Corona-Krise mit gemischten Gefühlen erleben. "Jeder soll hier zunächst seinen Arbeitsplatz behalten. Dafür sind die Menschen dankbar", sagt Kranefuß. Aber natürlich nehmen die Existenzsorgen zu:
Auf Zeit nach der Krise vorbereiten
"Die Situation ist unübersichtlich. Viele fragen sich, ob die strengen Maßnahmen gerechtfertigt sind." Andere wiederum machen sich Sorgen um Freunde oder Verwandte, die das Virus erwischt hat.
Die Situation auf dem Hamburg Airport stützt Kranefuß' Beobachtung, über die er schon früher gesprochen hat: "Der Flughafen wirkt bei gesellschaftlichen Herausforderungen wie ein Brennglas. Der weltweite Stillstand ist hier besonders deutlich." Als 2009 die weltweite Finanzkrise ausbrach, habe sich das zuvor mit sinkenden
Fracht- und Passagierzahlen angekündigt, sagt Kranefuß, der seit 20 Jahren für die Nordkirche als Flughafenseelsorger arbeitet und sich die Aufgabe mit dem katholischen Pfarrer Johannes Peter Paul teilt.
Der Flughafen versucht nun, sich auf die Zeit nach der Krise vorzubereiten. Abstandshalter werden markiert, Glasscheiben vor den Check-In-Schaltern installiert. Doch wann auf dem Hamburg Airport Helmut Schmidt wieder Normalbetrieb herrschen wird, ist ungewiss. Die Reisebranche wird voraussichtlich am längsten von der Corona-Krise betroffen sein.