CDU-Europaabgeordnete zur EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands

Große Sprünge oder kleine Hupfer?

Deutschland übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft und kann so in einer schwierigen Zeit wichtige Akzente in der europäischen Politik setzen. Die CDU-Europaabgeordnete Hildegard Bentele erklärt, welche das sein könnten.

Deutschland übernimmt EU-Ratspräsidentschaft / © Robert Michael (dpa)
Deutschland übernimmt EU-Ratspräsidentschaft / © Robert Michael ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wird Deutschland in der europäischen Asylpolitik jetzt für ein gerechteres System sorgen?

Hildegard Bentele (CDU-Europaabgeordnete in der EVP-Fraktion, Mitglied im Bundesfachausschuss Europa): Ich glaube, da müssen wir die Erwartungen in Grenzen halten. Ich sehe momentan keine Faktoren, die die alten Bedenken jetzt beiseite räumen würden. Und auch aufgrund der Wirtschaftskrise schauen die Länder schon stärker auf sich selbst.

Ich hoffe, dass die vier Großen, Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland, sich zusammentun und ein bisschen vorangehen. Aber auch die Kommission hat ja noch keinen Vorschlag für ein gemeinsames europäisches Asylsystem vorgelegt, so wie sie es eigentlich tun wollte. Da bin ich eher skeptisch, dass wir da große Bewegung sehen werden.

DOMRADIO.DE: Katholische Hilfswerke begrüßen, dass das Thema "Unternehmensverantwortung in globalen Lieferketten" auf der Agenda steht. Wie kann internationale Solidarität gelingen, wenn Europa nach Corona wirtschaftlich erst einmal selber wieder auf die Beine kommen muss?

Bentele: Da wiederum sehe ich mehr Bewegung, weil das Thema schon vor der Corona-Krise angestoßen wurde und die Unternehmen auch selber eigentlich nach einheitlichen Regelungen rufen. Und da gibt es auch schon konkrete Gesetzesvorschläge, da arbeitet das Parlament dazu, ich selbst auch im Bereich Entfaltung.

Da sehe ich durchaus Bewegung, dass wir sowohl auf der deutschen als auch auf der europäischen Ebene nach vorne kommen werden, innerhalb des nächsten halben Jahres, aber auch innerhalb des kommenden Jahres.

DOMRADIO.DE: Wie stehen Sie zu einem Lieferkettengesetz, das für Unternehmen verpflichtend ist und für einen fairen Handel sorgen soll?

Bentele: Ich bin da durchaus jemand, der das auch mit vorantreibt. Wir müssen natürlich schauen, um welches Unternehmen es geht. Kann ein Unternehmen mit 30-40 Mitarbeitern genau so behandelt werden wie ein Unternehmen, das 500 Mitarbeiter hat? Dazu gibt es beispielsweise schon ein Gesetz in Frankreich. Ich glaube, wir müssen erst einmal einsteigen in die Verpflichtungen. Wir haben ja bisher nur freiwillige Regelungen. Wenn wir in die Verpflichtungen einsteigen, dann ist das schon ein sehr guter Schritt.

DOMRADIO.DE: Kommen wir zu einem Thema, das durch Coruna etwas untergegangen ist: Klimaschutz. Hier heißt es, die Christdemokraten im Europaparlament seien gegen den Green Deal der EU-Kommission. "Wir müssen die Industrie stabilisieren, bevor wir sie in eine klimaneutrale Zukunft führen". Das hat Anfang der Woche Ihr Fraktionsvorsitzender der EVP, Manfred Weber, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt. Haben wir denn wirklich die Zeit dazu?

Bentele: Nein, Manfred Weber stand da unter dem Eindruck eines Besuchs bei BMW. Wir haben dann auch sofort darüber gesprochen, und es gibt keinen Zweifel, dass wir an dem Reduktionsziel festhalten: 50 bis 55 Prozent bis 2030, Klimaneutralität bis 2050.

Was aber wichtig ist und noch wichtiger geworden ist, ist die Folgekostenabschätzung, die zu jedem Gesetz gehört. Dafür haben wir jetzt sehr, sehr wenig Zeit nach dem Zeitplan der Kommission. Das macht uns Sorgen, denn die Leute wollen natürlich umso mehr wissen: Welche Auswirkungen hat das auf die Kosten und auf die Arbeitsplätze? Das ist ein normaler Prozess. Wir weisen nur ganz, ganz dezidiert darauf hin, dass es kein Gesetz ohne diese Folgekostenabschätzung geben darf.

DOMRADIO.DE: Wie steht es denn um den europäischen Zusammenhalt gerade? Würden Sie sagen, das Coronavirus hat uns eher zusammengeschweißt, oder versuchen doch einige Staaten diese Zeit zu nutzen, um andere wirtschaftlich zu überholen?

Bentele: Nein, ich glaube, wir haben großes Bewusstsein dafür, dass wir alle aus der Krise rauskommen müssen, die ja die Staaten unverschuldet unterschiedlich getroffen hat, und im wirtschaftlichen Bereich sehe ich jetzt schon eine große Solidarität.

Und auch die großen Investitionen, die wir jetzt planen, sind strategische Zukunftsinvestitionen, um Europa als Ganzes durch grenzüberschreitende Projekte nach vorne zu bringen, beispielsweise im Energiebereich, im Verkehrsbereich und so weiter. Nein, da sehe ich schon deutlich mehr Gemeinsamkeit als früher.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Hildegard Bentele im Homeoffice / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Hildegard Bentele im Homeoffice / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )
Quelle:
DR
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