Die Selbstverpflichtung der katholischen Kirche zur Zusammenarbeit mit anderen Kirchen ist nach den Worten des Münchner Kardinals Reinhard Marx unumkehrbar. Bei einem Gottesdienst im Münchner Liebfrauendom würdigte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz das vor genau 50 Jahren vom Zweiten Vatikanischen Konzil verabschiedete Ökumenismus-Dekret als "revolutionär". Die katholische Kirche habe damals erkannt, dass die Trennung der Christenheit "ein Ärgernis ist vor Gott und den Menschen".
Christus gehöre "nicht nur einer Kirche, einer Gruppe, nicht einmal uns Christen, sondern allen Menschen", betonte Marx. Seither sei klar, dass es nicht darum gehe, dass alle sich zur katholischen Kirche bekehrten, sondern darum, "dass wir voneinander lernen können". Auch wenn die ökumenische Bewegung "durch Höhen und Tiefen" gehe, sei die katholische Kirche dankbar für "dieses Geschenk vom 21. November 1964, das uns endgültig bindet".
Marx rief die Kirchen in Deutschland dazu auf, "gemeinsam das Evangelium in diesem Land kräftig, lebendig und einladend zu verkünden". Die "Sprengkraft der Bibel" müsse neu entdeckt werden, etwa, was es bedeute, "dass dieser Gott ein Verwundeter ist, kein Herrscher".
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, würdigte die Annäherungen zwischen den Kirchen. In den vergangenen 50 Jahren seien viele Fortschritte erzielt worden, etwa beim gemeinsamen Verständnis der Heiligen Schrift und der gemeinsamen Taufe. Dennoch sei das Ziel noch lange nicht erreicht, weil die Kirchen "immer noch viel zu viel" trenne. Gerade Menschen in konfessionsverschiedenen Ehen litten darunter.
"Obwohl wir uns alle als Kirchen bezeichnen, sind wir doch niemals die ganze Kirche ohne die anderen", sagte der bayerische Landesbischof. Das Evangelium Jesu Christi müsse in Einheit und Liebe bezeugt werden, sonst sei es nicht glaubwürdig. Starke Zeichen seien etwa die Kooperation von Caritas international und Diakonie in der Katastrophenhilfe oder die ökumenische Zusammenarbeit in Unterstützergruppen für Flüchtlinge in Deutschland. Der EKD-Ratsvorsitzende lud die Gottesdienstteilnehmer dazu ein, das Reformationsjubiläum 2017 "mit allen christlichen Geschwistern als Christusfest zu begehen".
In Köln erinnerte Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki an die Bedeutung der praktischen Ökumene. "Wir brauchen das gemeinsame Handeln, den Respekt und das gegenseitige Vertrauen", sagte er. Woelki wies darauf hin, dass Papst Pius XI. noch 1928 in einer Enzyklika jede ökumenischen Kontakte verboten habe. Das Konzil habe das Dilemma der Trennung durchbrochen. Inzwischen gebe es eine imponierende Fülle von ökumenischen Texten, Projekten und Initiativen auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene.
"In unseren Gemeinden ist vielerorts die Fremdheit zwischen den Konfessionen einer Vertrautheit gewichen", sagte der Erzbischof. Schmerzliche trennende Hindernisse gelte es weiterhin zu überwinden. Und einmal gefundene Übereinstimmungen, auch im Bereich der Ethik, dürften nicht verloren gehen.
Aachens Bischof Heinrich Mussinghoff bezeichnete das "Ja der katholischen Kirche zur ökumenischen Bewegung" als unwiderruflich. Es gelte, weiterhin im Dialog zu bleiben, sich gemeinsam karitativ zu engagieren und einen geistlichen Ökumenismus in Gebet und Schriftstudium zu pflegen.
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck erinnerte an die "Ökumene in den Kriegsgräben der Weltkriege", in denen Christen einander näher gekommen seien. Das Konzil habe eine "grundlegende Neuorientierung" in der Ökumene eingeleitet. Auf diesem Wege gelte es weiterzugehen.
Münsters Bischof Felix Genn rief dazu auf, gegen Resignation in der Ökumene anzugehen. Mit Blick auf den 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017 müssten evangelische, orthodoxe und katholische Christen die Einheit suchen und gemeinsam danach fragen, was Christus bewegt habe.
Der katholische Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt hat Katholiken und Protestanten dazu aufgerufen, in ethischen Fragen eine gemeinsame Linie zu fahren. "Nur so können wir uns in der säkularen Welt verständlich machen", sagte Ipolt am Freitagabend in Görlitz. Die Christen müssten mit einer Stimme sprechen. Das gelte insbesondere in der Diaspora. Zudem rief der Bischof zum gemeinsamen ökumenischen Engagement für Flüchtlinge und andere Notleidende auf.
Der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige hat Unzulänglichkeiten in der Ökumene kritisiert. "Die konfessionelle Spaltung ist sogar zu einem großen Teil dafür mitverantwortlich, dass Christentum und Kirche in unserer Gesellschaft an Bedeutung und Glaubwürdigkeit verloren haben", sagte Feige am Freitagabend in Magdeburg. "Viele unserer Zeitgenossen verstehen inzwischen überhaupt nicht mehr, wieso es eine gespaltene Christenheit gibt."
Feige würdigte, dass inzwischen in der Ökumene vieles selbstverständlich sei, das vor Jahrzehnten noch undenkbar war. Gleichwohl gebe es immer noch "gravierende Probleme". Nicht alle Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) seien umgesetzt worden, und vielfach stießen ökumenische Bestrebungen auf Widerstände, kritisierte der Bischof. Derzeit gebe es "noch keine gemeinsame Vision davon, wie die Einheit der Kirchen konkret aussehen könnte". Zugleich regte Feige eine breite ökumenische Bildungsarbeit an: "Denn nach wie vor gibt es Vorurteile und Klischees auf allen Seiten." Diese überdeckten oftmals die bereits erreichten "bedeutsamen Übereinstimmungen im ökumenischen Dialog".
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick möchte den Buß- und Bettag wieder zum gesetzlichen Feiertag machen und ihn unter ein ökumenisches Vorzeichen stellen. Der wichtigste Auftrag Christi an seine Kirche sei der Dienst an der Versöhnung der Menschen mit Gott und untereinander, sagte Schick am Freitagabend bei einem ökumenischen Gottesdienst im Bamberger Dom. Reue und Buße seien die Voraussetzung für eine ganzheitliche Versöhnung. Der Erzbischof appellierte an die Christen der verschiedenen Konfessionen, sich einander zuzuwenden, "damit sie mit vereinten Kräften den Dienst der Versöhnung in unserer Welt erfüllen können".
Der evangelische Buß- und Bettag war bis 1994 ein bundesweiter gesetzlicher Feiertag. Zur Finanzierung der Pflegeversicherung wurde er in allen Bundesländern mit Ausnahme von Sachsen gestrichen.
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker erinnerte an eine "Ökumene der Wertschätzung" im Konzil vor 50 Jahren. Das sei ein "Mahnruf in den Störungen, die heute gelegentlich die Ökumene beeinträchtigen". Mit Blick auf den 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017 sagte Becker: "Lasst uns dieses geschichtsmächtige Datum für das Verhältnis der Kirchen als Christusfest begehen!" Nur mit Christus im Zentrum "wird uns die sichtbare Einheit der Kirche geschenkt". Becker bezeichnete die Ökumene "als echte Chance und wirksamen Aufbruch für das Christsein". Mit dem 1957 in Paderborn gegründeten Johann-Adam-Möhler Institut, dass den Dialog zwischen Konfessionen wissenschaftlich begleitet, sei die Erzdiözese zu einem Standort der Ökumene geworden, sagte er im Paderborner Dom. Die westfälische Präses Kurschus betonte, dass Unterschiede zwischen den Kirchen für die Einheit wichtig seien. So erfahre die evangelische Kirche Frauen als Pfarrerin als Reichtum.
Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, erklärte, es gebe "kreative Unterschiede" zwischen den Konfessionen. Sie reichten jedoch nicht bis in die Wurzel, da Christus selbst die grundlegende Gemeinsamkeit sei, sagte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen in einem Grußwort im ökumenischen Gottesdienst im Paderborner Dom. Das 500-jährige Reformationsjubiläum 2017 werde deshalb nicht in Abgrenzung gefeiert. Die Katholiken seien zum Mitfeiern eingeladen.
Der Lippische Landessuperintendent Arends warnte in dem Paderborner Gottesdienst davor, sich als Kirchen bei der Ökumene nur mit sich selbst zu beschäftigen und die Nöte der Menschen aus dem Blick zu verlieren. "Wir streiten miteinander, statt die Botschaft Jesu Christi in unserem Leben zu bezeugen und Gottes Menschenliebe in unseren Taten erfahrbar werden zu lassen."
Die rheinische Oberkirchenrätin Barbara Rudolph sprach sich für einen ökumenischen Partnerschaftsvertrag zwischen den Kirchen aus. Auf Gemeindeebene gebe es viele solcher Partnerschaften, sagte Rudolph am Freitag in Düsseldorf anlässlich des Jubiläums des Ökumene-Dekrets.
Überraschend kritische Töne kamen aus dem Vatikan. Kurienkardinal Koch äußerte sich besorgt über den Stand des ökumenischen Dialogs. "Die Suche nach der Einheit der Kirche stößt im relativistischen und pluralistischen Geist von heute auf einen starken Gegenwind", sagte der Präsident des päpstlichen Einheitsrates in Rom. Die protestantischen Kirchen hätten das Ziel der vollen und sichtbaren Einheit der Kirche aufgegeben und durch Bemühungen um gegenseitige Anerkennung ersetzt.
Papst Franziskus hatte am Donnerstag vor Resignation in der Ökumene gewarnt. Die Suche nach der Einheit bleibe ein Hauptanliegen der katholischen Kirche, sagte er. Neue ethische Kontroversen zwischen den Kirchen dürften nicht zu Entmutigung führen. Franziskus würdigte die erreichten Fortschritte: "Feindschaft und Gleichgültigkeit, die scheinbar unüberwindliche Gräben gegraben und tiefe Wunden hervorgerufen hatten, gehören mittlerweile der Vergangenheit an."
Am 21. November 1964 hatte das Zweite Vatikanische Konzil das Dekret "Unitatis redintegratio" beschlossen. Darin öffnete sich die Kirche für den Dialog mit den anderen Konfessionen. Protestanten und Orthodoxe wurden als "Brüder im Herrn" anerkannt. Alle Christen werden aufgerufen, sich für die Einheit zu engagieren. Die Erklärung gilt als ökumenischer Meilenstein.