Aussprechen konnte ich meine Sorgen nicht. Jedenfalls nicht ohne Sprüche, wie den von meiner Oma zu kassieren: "Et jitt kei jrößer Leit, als wat dä Mensch sich selvs andeit." Ja, Oma. Du hast Recht.
Aber da ich jetzt nun schon mal vor dem Schiff stand, konnte ich auch über die Gangway gehen. Mich mit der Koje in der winzigen Viermannskammer unter Deck vertraut machen. Den Knoten im Bauch konnte das nicht beeindrucken. Natürlich giftete er bei den ersten Segelanweisungen: ("Niederholer klar? Schot klar? Holt das Fall!") "Selbst schuld, wenn du nichts verstehst." Ich erspar Ihnen, was der Knoten alles zu sagen wusste, als ich nachts eingeschäkelt auf den Planken lag. Damit ich es nah zur Reling hatte, versteht sich. Aber da habe ich dem Knoten längst nicht mehr zugehört.
Denn: Beim ersten Ablegen stand ich vorne mit dem Steuermann an der "Schot". Kaum war die gelöst, sprang der Wind ins Segel, trieb das Schiff auf die offene See. Scheinbar ungezähmt. Nur um sich, unter vollen Segeln, dem Wissen der Steuermänner unterzuordnen, wehte er um unsere Nasen, immer auf den Horizont zu, der sich spannte, soweit das Auge reicht. Kann Freiheit näher sein?
Allmählich verstand ich simple Anweisungen. Und ja, "Hock dich neben den Kettenkasten und hör zu" heißt eben nicht: "hör zu". Jedenfalls nicht nur. Ich lernte sogar, am Ruder zu stehen und nach einer Weile stolz "125 Grad liegt an" zu verkünden. Das konnte ich nur lernen, weil meine Mitsegler und die Kapitänsteuermännercrew extrem geduldige Wesen waren. Und humorvolle. Das müssen sie wohl auch sein.
Sonst würden die Ehrenamtler in ihren Jahresurlauben wohl kaum seit über 40 Jahren im Verein "Clipper dt. Jugendwerk zur See" Menschen, vor allem Jugendlichen, das Segeln auf Traditionsschiffen beibringen: Alle packen mit an. Alle setzen Segel, putzen, kochen. So ist auch für kleine Geldbeutel das große Gefühl von Freiheit und Kraft und Abenteuer erschwinglich – atemberaubend sternklare Nächte unter Segeln, anmutige Delfine Backbord, von der Morgenröte lachsfarbenes Wasser inklusive. Echtes Leben. Für alle.
Das ist das, was mich vielleicht am allermeisten beeindruckt hat.