domradio.de: Wie schwierig ist die Aufgabe, die die Bischöfe in Rom bei ihrer Synode meistern müssen?
Prof. Hans-Joachim Sander: Sie ist deswegen schwierig, weil sie vor Fragen steht, auf die man bisher nicht sehr intensiv geantwortet hat. Es ist vergleichbar zu dem, was in Deutschland bei der Flüchtlingsfrage geschieht. Eine einst homogene Gesellschaft erfährt sich mit Leuten, die von außen kommen, konfrontiert. Manche empfinden das als Bedrängnis und andere wiederum empfinden das als einen Umstand, der die eigene Situation und Lage verbessert.
domradio.de: Glauben Sie, dass es eine Art Schlacht zwischen den Theologen ist, oder geht es da wesentlich gesitteter zu?
Prof. Hans-Joachim Sander: Es geht natürlich gesitteter zu. Es ist ein zähes Ringen, bei dem es um Argumente, aber auch um Machtfragen, Positionen und Einfluss geht. Noch mehr ist die Synode aber eine sehr entfernte Auseinandersetzung mit den Fragen, die Menschen wirklich haben. Das ist meiner Ansicht nach das, worum es wirklich geht. Und diejenigen, um die es eigentlich geht, die sind gar nicht da. Aber sie stehen vor der Tür.
domradio.de: Die große Frage ist ja, was hat die Synode eigentlich zu sagen? Welche Autorität hat sie denn?
Prof. Hans-Joachim Sander: Die Synode hat als Beratungsgremium eine Autorität dem Papst gegenüber. Aber die entscheidende Frage ist, ob sie eine Autorität den Leuten gegenüber hat, die die Kirche fragen, wie sie es mit Partnerschaften, Liebe und Sexualität hält. Autorität bemisst sich daran, inwiefern man andere Menschen autorisiert. Autorität ist nicht Macht, sie wird nicht größer, wenn man andere entmächtigt, sondern wenn man andere ermächtigt, sich zu ihren Fragen zu verhalten. Das ist auch die entscheidende Frage an diese Synode.
domradio.de: Was glauben Sie denn, was kann, was sollte die Kirche den Menschen in Fragen von Liebe, Partnerschaft und Sexualität einräumen?
Prof. Hans-Joachim Sander: Sie sollte ihnen einräumen, dass sie wirklich vor Fragen stehen und dass diese Fragen auch aller Ehren wert sind. Auch wenn diese Fragen für sie selbst unbequem, prekär und befremdlich sind. Viel wichtiger als die Antworten, die die Kirche geben kann, sind die Fragen. Das hat man ja in der Vorsynodenzeit durch Befragungen an Katholikinnen und Katholiken, die sich in der Regel an ganz anderen Dingen orientieren, erfahren können. Aber die Fragen sind entscheidend, weil niemand einen Masterplan hat, wie Partnerschaft, Familie oder Sexualität wirklich gelingt. Diesen Plan hat auch die katholische Kirche nicht. Das gemeinsame Ringen darum, dass man das, was scheinbar nicht möglich ist, unmöglich leben kann, nämlich Liebe, ist eine ganz entscheidende humane Angelegenheit.
domradio.de: Nun dauert die Synode nur noch ein paar Tage. Glauben Sie denn, dass wir noch eine große Sensation erleben?
Prof. Hans-Joachim Sander: Nach dem, was man bisher sagen kann, wohl nicht. Es gibt interessante Vorschläge, etwa von der deutschsprachigen Gruppe. Es gibt aber auch klare Abweisungen in der englischsprachigen und der italienisch sprechenden Gruppe, die die Grenzen, die da sind, behalten will und noch mit Draht - um nicht sogar aus kirchenrechtlicher Doktrinsicht Stacheldraht zu sagen - ausstatten wollen. Wir werden keine Sensation erleben, aber wir werden erleben, dass die Kirche demgegenüber nicht ausweichen kann, was hier an sie herangetragen wird.
Das Interview führte Dr. Christian Schlegel