Katholisches Büro Dresden verurteilt fremdenfeindliche Übergriffe

"Das ist nicht Sachsen!"

Randale gegen ankommende Flüchtlinge in Clausnitz, Jubel beim Brand eines Flüchtlingsheimes in Bautzen - Fremdenfeindlichkeit in Sachsen ist ein echtes Problem, so Christoph Pötzsch vom katholischen Büro Dresden im Interview.

Ortsausgangsschild von Clausnitz  / © Hendrik Schmidt (dpa)

DOMRADIO.DE: Was haben Sie gedacht, als Sie von diesen neuen fremdenfeindlichen Übergriffen gehört haben?

Christoph Pötzsch (Leiter des katholischen Büros Dresden): Das ist schlimm. Die Macht der Bilder spricht für sich. Es ist ja leider so, dass zurzeit solche Meldungen oft aus Sachsen kommen und das macht mich betroffen. Ich kann nur immer wieder sagen: Das ist nicht Sachsen!

Christoph Pötzsch / © Bistum Dresden-Meissen
Christoph Pötzsch / © Bistum Dresden-Meissen

DOMRADIO.DE: Zu solchen Angriffen auf Flüchtlingsheime ist es im letzten Jahr leider immer wieder gekommen - bundesweit. Aber in Sachsen scheint es besonders oft zu passieren. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Pötzsch: Ein Erklärungsmuster kann ich Ihnen nicht anbieten. Ich würde ungern diese Schräglage, die wir gegenwärtig haben, auf das Thema allein fokussieren. Es ist ja nicht nur so, dass es hier Angriffe auf Asylheime gibt, wie wir das jetzt in Bautzen gesehen haben oder die Randale in Clausnitz vor dem Bus. 

Wir haben im November auch linke Gewalt in Sachsen erlebt mit 70 verletzten Polizisten. Linke Gewalt ist nicht besser als rechte Gewalt. Es ist ganz furchtbar, dass sich das gerade in Sachsen abspielt. Das macht uns alle sprachlos und leider auch ein Stück handlungsunfähig.

DOMRADIO.DE: Politiker wie zum Beispiel  Bundesjustizminister Heiko Maaß nannten die Vorfälle umgehend "abscheulich und widerwärtig". Immer wieder verurteilen Politiker und auch Kirchenvertreter solche Taten - oft sicher auch mit einem Gefühl der Ohnmacht. Wie versuchen Sie von Seiten der Kirchen gegenzusteuern? 

Pötzsch: Wir versuchen, diese gesellschaftliche Situation, die wir haben und die angespannt ist, wieder auf Worte zu bringen.  Es hat in den letzten Monaten eine verbale Aufrüstung gegeben und das ist, meine ich, der Grund, warum sich das Ganze emotional immer weiter hochschaukelt. Da gibt es viele Menschen, die durchaus Fehler gemacht haben und Schlimmes angestellt haben. 

Wenn da auf Demonstrationen dazu aufgerufen wird, mit Mistgabeln die Politiker aus dem Parlament zu jagen, wie bei Pegida-Demonstrationen geschehen, oder wenn ein Bundesminister Leute als "Pack" bezeichnet, dann sind das alles Stücke der verbalen Aufrüstung, die alles andere als dienlich sind. 

Brand in geplanter Asylunterkunft Bautzen / ©  Christian Essler (dpa)

Wir versuchen hier im Rahmen unserer Möglichkeiten, Leuten dazu zu ermuntern, Diskussionsthemen wahrzunehmen, zu verbalisieren, darüber zu sprechen. Gewalt ist keine Möglichkeit, Gewalt darf nicht stattfinden. Man muss versuchen, das in Worte zu bringen und in Form eines demokratischen Konsenses auszusprechen, aber das wird zurzeit leider kaum wahrgenommen. Die Eskalation der Gewalt nimmt zu und das stellt mir Fragen, die mich sorgenvoll in die Zukunft blicken lassen.

DOMRADIO.DE: Auch heute Abend wird PEGIDA wieder marschieren - machen Sie sich Sorgen um die Demokratie in Deutschland?   

Pötzsch: Durchaus mache ich mir Sorgen. Wenn die Ränder erstarken und die bürgerliche Mitte einfach nicht mehr vorhanden ist, muss man sich Sorgen machen. Ich will jetzt nicht die Weimarer Verhältnisse wieder hochziehen, aber die Sprachunseligkeit und auch die Spachunfähigkeit, die mangelnde Diskussionsbereitschaft - das macht mir Sorge. 

Unsere Landesregierung hat im letzten Jahr zu großen Foren aufgerufen, wo man sich an die runden Tische setzt und redet. Das ist kaum wahrgenommen worden. Es herrscht eine gegenseitige Schweigsamkeit im Hinblick auf eine intellektuelle Diskussion. Da findet nichts statt, man schreit sich nur an. Das lässt mich Sorgen haben für das, was wir unter Demokratie verstehen. Ich erinnere daran, dass wir hier im Osten 1989/90 Demokratie erkämpft haben und das ist ein hohes Gut und ein Wert. Aber der wird offensichtlich wenig geschätzt. 

Vielleicht ist auch unterschätzt worden, dass man Demokratie ja auch lernen und erarbeiten muss und das scheint mir jetzt das Problem der nächsten Jahre zu sein. Vielleicht ist Demokratie in den Köpfen vieler Menschen nicht angekommen - rechts und links.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Christoph Pötzsch

Christoph Pötzsch leitete zwölf Jahre lang (2005 bis 2017) das Katholische Büro Dresden und war somit für die Kontakte zwischen dem Bistum Dresden-Meißen und der sächsischen Politik zuständig. Sein Nachfolger wurde Diakon Dr. Daniel Frank. Im Rahmen der offiziellen Abschiedsveranstaltung verlieh ihm Bischof Heinrich Timmerevers, stellvertretend für den Papst, den Gregoriusorden für seine besonderen Verdienste bei der Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche.

Christoph Pötzsch / © Bistum Dresden-Meissen
Christoph Pötzsch / © Bistum Dresden-Meissen
Quelle:
DR

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