Welche Kuriositäten die Pandemie in die Kirchen bringt

Von Zuckerzangen und Weihwasser-Erfrischungstüchern

Ein Gottesdienstbesuch kann dieser Tage abenteuerlich werden: Nicht nur Masken und Desinfektionsmittel-Spender sind an der Tagesordnung, sondern auch ausgefallene liturgische Stilblüten. Professor Hans-Jürgen Feulner öffnet sein Kuriositätenkabinett. 

Desinfektion einer Kirche / © Cristian Gennari (KNA)
Desinfektion einer Kirche / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Titel Ihres Buches "Gottesdienst auf eigene Gefahr" lässt schon vermuten, dass da Humor drinsteckt, oder?

Hans-Jürgen Feulner (Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie, Universität Wien): Ja, natürlich. Der Titel "Gottesdienst auf eigene Gefahr" geht auf Warnschilder der Diözese Erfurt zurück, die zumindest für einige Zeit am Eingang aufgestellt werden mussten, dass die Teilnahme am Gottesdienst auf eigene Gefahr geschieht. Das hat mich sehr schmunzeln lassen, denn ich sammle schon seit etlichen Jahren religiöse und vor allem auch liturgische Kuriositäten. Da sind schon einige zusammengekommen und haben einiges Interesse verursacht. Aus diesen Humor heraus muss man auch Pandemie sehen - so schlimm das Ganze natürlich auch ist.

DOMRADIO.DE: Wie hat man denn versucht, die Kirche in der Pandemie sicherer zu machen?

Feulner: Wir hatten schon die sogenannte Schweinegrippe vor acht oder neun Jahren. Da kamen in freikirchlichen Kreisen in den USA sogenannte "Communion Dispensers" auf. Das sind Plastiksäulen, in denen dann die konsekrierten Hostien eingefüllt werden. Der Priester drückt dann hinten auf einen Knopf, unten hält man die Hand drunter und die Hostie fällt dann berührungslos auf die Hand herab. Das war etwas, was ich mir schon vor acht Jahren besorgt habe und was jetzt hochaktuell ist, wenn man sich die Frage nach der Kommunionspendung anschaut.

Oder "Communion Cups": Die gibt es schon seit den 90er-Jahren in evangelikalen Kreisen in den USA. Das habe ich auch dort entdeckt. Das schaut so aus wie ein Kaffeesahne-Behältnis. Da ist unten etwas Traubensaft. Das ist zugeschweißt und oben ist eine winzig kleine Hostie eingeschweißt. Dann kann man nach der Konsekration oder nach zum Abendmahl bei den evangelikalen Kreisen zum Abendmahl das obere Behältnis öffnen, Hostie herausnehmen, dann das zweite und trinkt dann den Traubensaft. Das ist sehr steril abgepackt und schaut ein bisschen nach McDonald's aus.

Es gibt auch "Communion Cup Filler" - ganz grausam aus Plastik. Auch wieder in evangelikalen Kreisen kann man dann den Abendmahlswein in kleine Plastikbecher abfüllen. Jeder nimmt aus den Einzelbechern die Kommunion. Das gibt es schon jahrelang aus Sorge vor wegen Bakteriengefahr oder aus hygienischen Gründen. Also ist das etwas, was schon alt ist.

DOMRADIO.DE: Auf welchen auch kuriosen Umgang sind Sie denn beim Thema Weihwasser gestoßen?

Feulner: Weihwasser ist tatsächlich eine Sache: Es gibt Weihwasser-Spender. Die gibt es jetzt auch in vielen katholischen Kirchen. Das ist keine neue Erfindung, denn auch zur Zeit der Schweinegrippe hat man in Italien schon Weihwasser-Spender mit seinem Sensor. Wenn man die Hand darunter hält, dann tröpfelt etwas Weihwasser heraus. Das gab es schon vor 8 oder 9 Jahren in Italien - bei uns noch weniger. Aber das hat sich jetzt weiter in den katholischen Kirchen verbreitet. Es schaut etwas aus wie ein Desinfektionsspender. Da muss man vorsichtig sein.

Was jetzt neu ist, das hat mir ein Pfarrer aus der Köln-Bonner-Gegend geschickt, das sind Weihwasser-Erfrischungstücher. Die kann man aufmachen, wie die Erfrischungstücher und sich dann bekreuzigen. Das ist eine andere Art und Weise und schon etwas zum Schmunzeln. Aber es soll ja nicht blasphemisch sein. Da steckt schon ein gewisser Ernst hinter. Das war etwas für mein Kuriositätenkabinett.

Aus dem Burgenland gibt es Weihwasser-Spray. Das schaut aus wie so ein kleines Deodorant-Spray und ist mit Weihwasser gefüllt. So kann man sich berührungslos mit Weihwasser besprühen. Das sind also meine neuesten Zugänge im Kuriositätenkabinett.

DOMRADIO.DE: Gab es Masken früher auch schon in Gottesdiensten?

Feulner: Bei der Spanischen Grippe interessanterweise. Wenn man dem Bildmaterial trauen darf - damals gab es ja auch schon Fotografien vor etwa 100 Jahren - wurden tatsächlich auch Masken getragen. Die Gottesdienste waren teilweise auch geschlossen. Es lässt sich also schwer feststellen, ob es auch da Masken in den Kirchen gab. Aber Abstand war bei der Spanischen Grippe angesagt und auch schon im Mittelalter. Zur Zeit der großen Pest im 14. Jahrhundert hat man den Erreger der Pest nicht gekannt. Man wusste aber, dass Abstand notwendig ist. Man hat langstielige Kommunionlöffel gehabt, mit denen man dann die Kommunion gereicht hat. Auch von den Straßen aus haben die Priester dann durch offene Fenster die Kommunion zu den Pestkranken hineingereicht.

Interessanterweise gibt es auch in Deutschland einige Diözesen, in denen Kommunionzangen wieder üblich sind - nicht diese langen, die einen halben Meter lang sind, sondern man nimmt Zuckerzangen. Manche Sachen wiederholen sich also. Abstand, das war sicherlich schon bei der großen Pest oder bei den nachfolgenden Spanischen Grippe üblich.

DOMRADIO.DE: Heute wissen wir rein wissenschaftlich Vieles besser als unsere Vorfahren. Sind wir heute gelassener oder ängstlicher?

Feulner: Sicherlich war man beim ersten großen Lockdown und den ersten Lockerungen ängstlicher. Die Virologen hatten noch nicht so viele Kenntnisse über das Virus. Sie erinnern sich, dass es widersprüchliche Aussagen gab. Maske ja, Maske nein? Maske hilft, Maske hilft nicht? Unbedingt alles sofort desinfizieren oder nicht? Heute sieht man das ein klein wenig gelassener. Man weiß, dass die Übertragung des Corona-Virus überwiegend durch Tröpfchen oder Aerosole passiert. Eine Schmier-Infektion ist da eher unwahrscheinlicher - nicht auszuschließen, aber das Risiko ist geringer. Man könnte also etwas gelassener sein. Bei aller Vorsicht.

Dass man das Gotteslob eine ganze Woche in Quarantäne steckt und nicht mehr ausgibt oder dass man die Kirchenbänke in manchen Ländern mit aggressiven Desinfektionsmitteln gereinigt hat, was dann den historischen Kirchenbänken geschadet hat, oder liturgische Gewänder in die chemische Reinigung gegeben hat, das wird Gott sei Dank heute nicht mehr gemacht. Da ist man in der Erkenntnis weiter: Abstand halten ist das Wichtigste. Berührungen sind zu vermeiden und wenn man am Eingang Desinfektionsmittel hat und jeder sich die Hände desinfiziert, dann ist das eine wichtige Maßnahme. Natürlich auch, dass der Priester sich vorher in der Sakristei die Hände wäscht. Das hat man auch schon vor Corona erwartet.

DOMRADIO.DE: Hat es eigentlich auch schonmal eine Versicherung für Gottesdienstbesucher gegeben?

Feulner: Eine ganz interessante Frage, aber das ist mir unbekannt. Aber schon diskutiert wurde ist, ob Pfarrer zur Verantwortung gezogen werden können, wenn hygienischen Maßnahmen nicht genügend beachtet werden oder man sich über das eine oder andere hinwegsetzt und Infektionen während eines Gottesdienstes geschehen. Solche Sachen hört und liest man tatsächlich im Internet. Aber da bin ich kein Jurist oder Fachmann, der das beantworten kann. Man hat sich aber offensichtlich schon Gedanken gemacht, wie es mit der Haftpflicht ausschaut, weshalb man wahrscheinlich in Erfurt dieses Schild aufgestellt hat: "Teilnahme auf eigene Gefahr".

Das Interview führte Heike Sicconi.


Weihwasser "to go" / © Harald Oppitz (KNA)
Weihwasser "to go" / © Harald Oppitz ( KNA )

Symbolbild: US-Priester segnet mit Wasserpistole / © Jim West (KNA)
Symbolbild: US-Priester segnet mit Wasserpistole / © Jim West ( KNA )
Quelle:
DR