Der frühere Präsident des päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kasper, hielt in der vergangenen Woche eine viel beachtete Rede zum katholischen Familienbild vor dem Kardinalskonsistorium. Bisher waren nur einige Auszüge bekannt geworden.
Kommunion unter bestimmten Voraussetzungen
In seiner Ansprache plädiert Kasper dafür, wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Voraussetzungen zum Empfang der Kommunion zuzulassen, was bislang nach katholischer Lehre nicht erlaubt ist. Entscheidend müsse unter anderem sein, dass der Betreffende das Scheitern seiner ersten, kirchlich geschlossenen Ehe
bereut, seine zweite Partnerschaft nach bestem Gewissen lebt, die Kinder christlich erzieht und die Sakramente als Kraftquelle seines Lebens betrachtet. Außerdem müsse zwischen der Wiederheirat und der Zulassung zu den Sakramenten eine "Zeit der Orientierung" liegen.
"Zahlen wir einen zu hohen Preis?"
"Wenn wir wiederverheiratete Geschiedene von den Sakramenten ausschließen, die bereit sind, sie zu empfangen, und sie auf den Heilsweg außerhalb der Sakramente schicken, stellen wir dann nicht die sakramentale Grundstruktur der Kirche zur Diskussion? Wozu dienen dann die Kirche und ihre Sakramente? Zahlen wir mit dieser Antwort nicht einen zu hohen Preis?", so der emeritierte deutsche Kurienkardinal. Barmherzigkeit zu einem billigen Preis könne es jedoch nicht geben, betonte er zugleich, die Kirche könne ihre Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe nicht verändern.
Entscheidung über das Gute und Böse eines Menschen
Kasper stellte jedoch zur Diskussion, ob nur die kirchenrechtliche Eheannullierung den Weg zu den Sakramenten freimachen dürfe. Barmherzigkeit und Kirchenrecht schlössen sich zwar nicht aus, doch eine barmherzige Pastoral sei die höchste Gerechtigkeit, weil sie hinter jedem Verfahren den einzelnen Menschen sehe. "Ist es wirklich möglich, über das Gute und Schlechte eines Menschen in zweiter und dritter Instanz nur auf Grundlage von Akten, also Papier zu entscheiden, aber ohne die Person und ihre Situation zu kennen?", fragte Kasper. In bestimmten Fällen könnten Bischöfe die Entscheidung über eine Wiederzulassung zu den Sakramenten etwa besonders erfahrenen Priestern übertragen.
Bindung künftiger Generationen an den Glauben
Priester könnten heute nicht mehr davon ausgehen, dass Brautpaare sich der sakramentalen Dimension ihrer Entscheidung immer bewusst seien und die Ehe somit voll gültig sei, so Kasper. Hier liege dann nur eine "Fiktion" vor. Der frühere Bischof von Rottenburg-Stuttgart verwies auch darauf, es könne "kontraproduktiv" sein, wenn Kinder ihre wiederverheirateten Eltern nicht beim Kommunionempfang erlebten. Damit riskiere die Kirche die Bindung künftiger Generationen an den Glauben.
Lob des Papstes
Papst Franziskus hatte Kasper um den Eröffnungsvortrag zum Konsistorium gebeten. Die Kardinäle berieten dabei unter anderem über die im Oktober anstehende Bischofssynode zur Familienpastoral, die auch den Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen behandeln wird. Anschließend hatte Franziskus die theologische Tiefe von Kaspers Ausführungen ausdrücklich gelobt.