Viele Menschen hätten den Eindruck, die katholische Kirche wolle die Menschen nicht sterben lassen, unterstreicht der Mediziner. "Das ist nicht unsere Auffassung." Die Kirchen böten Institutionen an, die das Sterben begleiteten, sagt Lütz. "Es wäre ratsam, das stärker in den Vordergrund zu stellen."
Abzulehnen seien allerdings gesetzliche Regelungen, die einer "Freigabe des Tötens" gleichkämen. Wenn man eine solche Tür öffne, führe das für alte, kranke oder behinderte Menschen zu einem unerträglichen Druck, sagt Lütz. "Das wäre schrecklich und würde die humane Temperatur der Gesellschaft auf den Gefrierpunkt absenken."
Die Freigabe der Sterbehilfe in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden hatte eine breite internationale Diskussion ausgelöst. In Deutschland steht die gezielte Herbeiführung des Todes eines Patienten unter Strafe. Beihilfe zum Suizid ist aber erlaubt. Die beiden großen Kirchen lehnen aktive Sterbehilfe strikt ab. Mit der derzeit laufenden "Woche für das Leben" wollen sie auf die Schutzwürdigkeit des Lebens "in allen seinen Phasen" aufmerksam machen. Die Veranstaltungsreihe endet am Samstag.
Zynische Argumente
Lütz verweist darauf, dass die Begriffe aktive und passive sowie direkte und indirekte Sterbehilfe das Problem vernebelten. Die Frage sei, ob man einen Menschen sterben lasse oder ihn töte. "Und da gilt für uns Christen: Du sollst nicht töten." Die Parole vom "selbstbestimmten Sterben" werde gerne von Befürwortern der Tötung verwendet, betont der 60-Jährige. In Wirklichkeit sei etwa ein Hospiz ein Ort, an dem man selbstbestimmt sterben könne. "Je näher das Sterben rückt, desto mehr muss der Arzt zurücktreten hinter den Willen des Patienten."
Als zynisch bezeichnet Lütz das Argument einiger Sterbehilfe-Befürworter, sie wollten als Pflegefall nicht auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sein. "Das diskriminiert alle Menschen, die Hilfe brauchen", mahnt der Mediziner. "Wir sind alle auf die Unterstützung anderer Menschen angewiesen. Das darf man nicht ausblenden." Manfred Lütz leitet das Alexianer-Krankenhaus für psychisch kranke Menschen in Köln. Zu seinen Büchern zählen "Gott. Eine kleine Geschichte des Größten", "Irre! Wir behandeln die Falschen" sowie "Lebenslust in unlustigen Zeiten".