Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Sterbehelfer Kusch

Totschlag, nicht Sterbehilfe

Einen Präzedenzfall in der "Sterbehilfe" hätten sie schaffen wollen, hat die Staatsanwaltschaft festgestellt. Der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch und ein Neurologe sind nun wegen Totschlags angeklagt.

Roger Kusch, angeklagt wegen Totschlags (dpa)
Roger Kusch, angeklagt wegen Totschlags / ( dpa )

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat Anklage gegen den früheren Justizsenator und Vorsitzenden des Vereins SterbeHilfe Deutschland (StHD), Roger Kusch, und einen psychiatrischen Gutachter wegen gemeinschaftlichen Totschlags an zwei Frauen erhoben. Kusch und dem Neurologen wird vorgeworfen, sich Anfang 2012 entschlossen zu haben, einen Präzedenzfall in der "Sterbehilfe" in Bezug auf eine Begleitung bis in den Tod zu schaffen, wie die Staatsanwaltschaft am Montag in Hamburg mitteilte.

Über hundertmal Beihilfe zum Suizid

Der Verein hat nach eigenen Angaben bisher mehr als hundertmal Beihilfe zum Suizid geleistet, die in Deutschland nicht strafbar ist.

Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass die Tatherrschaft nicht bei den Betroffenen, sondern bei den beiden Angeschuldigten lag. Zudem habe es entgegen der Vereinssatzung keine Aufklärung über Alternativen gegeben.

Laut Anklage äußerten Frau M. (81) und Frau W. (85) nach ihrem Vereinsbeitritt im Juni 2012 gegenüber Kusch die Absicht zum Suizid.

Suizid aus Angst vor der Pflege

Darauf bescheinigte der Arzt ihnen gegen ein Entgelt von 2.000 Euro, dass sie die Sterbeentscheidung freiverantwortlich und wohlerwogen getroffen hätten. Laut Gutachten waren die Seniorinnen geistig und körperlich rege und sozial gut eingebunden. Der Grund für ihren Wunsch sei allein ihre Angst vor dem Altern und dessen Folgen gewesen. Die Vereinssatzung sehe eine Unterstützung zur Selbsttötung aber nur bei hoffnungsloser Prognose, unerträglichen Beschwerden oder unzumutbarer Behinderung vor.

Entscheidung erzwungen

Kusch und dem Gutachter kam es laut Anklage bei diesem Fall darauf an, in Hamburg eine justizielle Entscheidung über einen Fall der "Hilfe zur begleiteten Selbsttötung" zu erzwingen. Ihnen sei bewusst gewesen, dass die Seniorinnen den Schritt ohne Unterstützung der Angeschuldigten nicht durchgeführt hätten. Sie hätten die Frauen schriftlich erklären lassen, dass sie über einen möglichst sicheren Weg des Suizids beraten worden seien und keine Wiederbelebungsmaßnahmen wollten.

Opfer von Kuschs Geltungsdrang

Am 10. November nahmen die Frauen laut Anklage im Beisein des Arztes eine tödliche Medikamentendosis ein, die Kusch hatte beschaffen lassen. Noch kurz zuvor sollen sie mit der Entscheidung gehadert haben, worauf der Arzt aber nicht einging. Nach dem Tod der Frauen informierte er die Feuerwehr, um die beabsichtigten strafrechtlichen Ermittlungen zu erreichen, wie es hieß. Den Angeschuldigten droht bei Verurteilung eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.

Dazu sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, am Montag in Hamburg, hier seien zwei Menschen Kuschs Geltungsdrang zum Opfer gefallen. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens werde deutlich, dass sich das Angebot der Sterbehelfer hierzulande nicht vornehmlich an Schwerstkranke wende, sagte Brysch.

Der Tod aus den Gelben Seiten

"Wie Millionen andere Menschen in Deutschland hatten die beiden Frauen Angst vor Pflege."

Bisher habe die Gesundheitspolitik kein Konzept, Pflege so zu organisieren, dass sie dieser Angst mit konkreter Hilfe begegne. "Der Fall zeigt auch, wie dringend ein eigener Straftatbestand für das Verbot der organisierten Suizibeihilfe ist. Nur so kann der Tod aus den Gelben Seiten verhindert werden", so die Patientenschützer.


Quelle:
KNA