Mit Entsetzen hat die Benediktinerabtei Ettal auf das Geständnis im Münchner Missbrauchsprozess gegen Pater G. (44) reagiert. "Dass die Opfer über die erlittenen Übergriffe hinaus so viele Jahre auf Gerechtigkeit warten mussten und sogar einem langwierigen Verfahren ausgesetzt waren, erschüttert uns und tut uns zutiefst leid", erklärte Abt Barnabas Bögle in einer in der Nacht auf Freitag veröffentlichten Pressemitteilung. Am Donnerstag hatte der Angeklagte nach der Aussage des dritten Belastungszeugen überraschend die ihm zur Last gelegten Taten weitgehend gestanden. Im Gegenzug sicherte ihm der Richter eine Bewährungsstrafe zu.
Nach der bereits Ende 2010 erhobenen Anklage und noch zum Prozessauftakt am 22. Januar hatte der Ordensmann die Vorwürfe kategorisch bestritten. Seine Verteidiger stellten die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen infrage und engagierten einen eigenen Spezialisten für Aussagepsychologie als Gutachter. Die Kosten übernahm die Abtei.
Verfahren im Vatikan
Am Donnerstag bekannte sich Pater G. im Sinne der Anklage als schuldig, als Internatspräfekt in Kloster Ettal zwischen 2001 und 2005 in mehr als 20 Fällen sexuelle Übergriffe gegen drei 12- bis 15-jährige Schüler verübt zu haben. Der Ordensmann griff den Minderjährigen in die Hose und streichelte sie über längere Zeit am Geschlechtsteil. Durch das Geständnis verkürzt sich der Prozess. Das Urteil wird nun bereits am 11. März erwartet.
Abt Barnabas zeigte sich "äußerst enttäuscht, dass Pater G. uns über einen so langen Zeitraum hinweg die Wahrheit verschwiegen hat". Die Abtei werde umgehend im Vatikan das kirchenrechtlich vorgesehene Verfahren einleiten. Der Mitbruder, der seit 2010 nicht mehr im Kloster lebt und keine Seelsorgeaufgaben wahrnehmen darf, muss damit rechnen, sein Priesteramt zu verlieren.
Opferverein: Bewährungsstrafe problematisch
Der Verein Ettaler Missbrauchs- und Misshandlungsopfer hält die zugesagte Bewährungsstrafe für problematisch. Aus Sicht von Missbrauchsopfern sei es keine Strafe, "wenn jemand nicht einmal eine Woche ins Gefängnis muss", sagte der Vereinsvorsitzende Robert Köhler am Freitag in München. Eine solche Sanktion werde dem "Vergeltungsbedürfnis der Opfer" nicht gerecht.
Zugleich würdigte Köhler die grundsätzliche Bedeutung des Geständnisses. Damit könne nicht mehr bezweifelt werden, dass es diese Übergriffe gegeben habe. Köhler sagte, die von diesem Prozess Betroffenen hätten sich noch nicht bei seinem Verein oder den mit dem Kloster gemeinsam bestimmten Mediatoren gemeldet. Sie sollten aber auch finanziell entschädigt werden, wenn sie dies wünschten. Für 70 ehemalige missbrauchte oder misshandelte Klosterschüler wendete die Abtei bereits bis September 2011 rund 700.000 Euro auf und erkannte damit ihr Leid an.
Der Münchner Rechtsanwalt Thomas Pfister sagte, ein großes Problem bei Sexualstrafverfahren sei die Unehrlichkeit der Täter. Wenn sie die Taten bestritten, sei dies stets gleichbedeutend mit dem Vorwurf der Lüge an die Adresse der Opfer. Ein ehrlich gemeintes Geständnis müsse eigentlich zum Prozessauftakt abgelegt werden. "Sonst liegt der Verdacht nahe, dass es nur taktisch motiviert ist, um einer Haftstrafe ohne Bewährung zu entgehen", sagte der Strafverteidiger.
Pfister war 2010 auf Drängen des Erzbistums München und Freising als Sonderermittler zur Klärung von Missbrauchs- und Misshandlungsvorwürfen gegen die Ettaler Mönche tätig. In dieser Eigenschaft habe er kurzzeitig auch mit Pater G. zu tun gehabt, sagte er. Der Ordensmann habe ihm gegenüber jedoch alle Vorwürfe bestritten. Missbrauchsopfer von Pater G. hätten sich damals bei ihm aber nicht gemeldet. Wie sich jetzt zeige, sei es gut gewesen, dass die Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen einen "langen Atem" bewiesen habe.