Unterwandern Salafisten den Bonner Rat der Muslime?

"Es ist ein großes Problem“

Laut einem WDR-Bericht wird der Bonner Rat der Muslime von Salafisten infiltriert. Coletta Manemann ist Integrationsbeauftrage der Stadt Bonn. Sie beobachtet die Entwicklungen mit Sorge.

 (DR)

domradio.de: Wie groß ist Ihrer Meinung nach das Problem mit den Salafisten in Bonn?

Manemann: Für uns ist es schon ein großes Problem. Es ist nicht ganz neu. Wir haben schon länger damit zu tun, aber wir haben nie beschönigt und nie bestritten, dass es ein großes Problem ist, das wir gemeinsam mit vielen Muslimen lösen möchten.

domradio.de: Wie wollen Sie das Problem lösen?

Manemann: Wir unterstützen Moscheegemeinden und muslimische Vereine, die ganz klare Akzente dagegensetzen, die Angebote machen. Wir haben einen muslimischen Verein, der sehr konkrete Angebote macht für Jugendliche, um ihnen deutlich zu machen, dass das was diese Prediger anbieten keine Lösung ist und ehrlich gesagt auch gar nicht muslimisch ist. Wir sind dabei ein Beratungsangebot aufzubauen. Wir bieten Fortbildungen an für Schulen und für Jugendeinrichtungen. Also das Thema ist präsent. Wir arbeiten intensiv daran und wir haben gute Kooperationspartner, auch auf muslimischer Seite.

domradio.de: Wie viel Unterstützung bekommen Sie denn da auf muslimischer Seite? Ist das so, dass man Ihnen da von selbst die Tür einrennt oder ist das eher ein bisschen zurückhaltender?

Manemann: Das ist sehr unterschiedlich. Man muss natürlich auch sehen, dass man nicht von "den Muslimen" sprechen kann und letztlich nicht von "den muslimischen Vereinen". So wie es in anderen Fällen auch wäre, ist es natürlich auch hier, so dass nicht jeder gleichermaßen betroffen ist. Für viele türkische Moscheen ist das kein so großes Thema, wie für arabische Moscheen. Für viele Familien ist es aber ein Thema, auch für türkische Familien. Von daher: Mehr wünschen können wir uns immer, aber es gibt eine Reihe von Akteuren, die schon aktiv sind. Mir wäre wichtig, dass unabhängig von konkreten Aktivitäten und Projekten, die sicherlich nicht jeder anbieten kann, dass das Signal der Muslime, die gegen Salafismus sind und die dies auch nicht mehr möchten, dass das noch lauter und eindeutiger wird.

domradio.de: Wie nehmen Sie das denn wahr, wenn Sie bei Muslimen sind, auch gerade bei gemäßigten? Sind die von dem Thema genervt oder sehen sie das auch selber als ein großes Problem; als ein eigenes großes Problem ihrer Moscheegemeinden an?

Manemann: Genervt ist der richtige Ausdruck, aber zornig ist der immer richtigere Ausdruck, denn viele Muslime in Bonn leben hier völlig friedlich und teilweise unpolitisch und ganz normal wie Sie und ich. Sie sind sehr empört darüber, dass immer wieder ihre Religion mit politischem Extremismus in Zusammenhang gebracht wird, mit radikalen Positionen, die ja letztlich nicht religiös sind, sondern, die die Religion für Politik und für extremistische Positionen benutzen. Und da gib es schon eine sehr ungehaltene Stimmung. Immer auch die Vorsicht, dass man durch zu viele Reaktionen die Extremisten nicht aufwerten möchte. Das ist immer eine Gradwanderung. Man muss sich trotzdem positionieren. Aber es gibt viel Unmut und auch oft der Wunsch nach konkreter Unterstützung in Einzelfällen. Bei mir melden sich muslimische Eltern, die sich Sorgen machen. Bei mir melden sich auch Lehrerinnen und Mitarbeiterinnen aus anderen Einrichtungen, die sich Sorgen machen. Also da gibt es auf jeden Fall eine gemischte Haltung bei den Muslimen, würde ich sagen. Es gibt einerseits große Sorger, um die eigenen Söhne und es gibt andererseits großen Zorn auf die Extremisten, die die eigene Religion immer in Verruf bringen.

domradio.de: Wie weit geht denn eigentlich Integration? Das frage ich Sie als Integrationsbeauftragte. Wenn wir einmal zurückschauen auf die vergangene Woche am Tag der offenen Moschee, am Tag der Deutschen Einheit, hat sich die deutsche Bevölkerung, oder das Bonner Bürgertum sozusagen, eingefunden, um sich einmal Moscheen anzuschauen. Und da wird ihnen erzählt, dass Salafisten teilweise gar nicht so schlimm sind. Sind das Einzelfälle? Solche Szenen sind doch irgendwie absurd, oder?

Manemann: Für den Tag der offenen Moschee haben wir auch als Stadt Bonn sehr geworben hinzugehen, Fragen zu stellen, sich Moscheen anzugucken und noch mehr Muslime kennenzulernen. Und natürlich ist es wie immer und überall auch, die Heterogenität der Menschen ist immer groß. Für manche ist das eben kein Problem. Oder auch der Begriff Salafisten ist nach wie vor unter den Muslimen nicht so richtig klar. Für andere ist es sonnenklar und sie äußern sich auch dementsprechend. Man muss natürlich immer sehen, dass kommunale Integrationsarbeit, für die ich stehe, natürlich das große Thema "Islam" in der Weltpolitik auch nicht lösen kann. Wenn Fragen zu Syrien, zu Ägypten, zu Afghanistan, zu Pakistan in der Kommune landen, sind sie trotzdem nicht für die kommunale Integrationsarbeit lösbar. Das muss man schon voneinander trennen. Und bei diesem Thema Islamismus und Salafismus sieht man sehr gut, dass es auch eine Überforderung wäre, und dass es auch viele Ursachen hat, die gar nicht in der Kommune entstehen. Aber was in der Kommune entsteht, ist Unzufriedenheit und auch das Gefühl nicht geschätzt zu werden, nicht unterstützt zu werden von muslimischen Jugendlichen. Da setzen wir auch ganz klar an, dass wir denen Angebote machen. Das nimmt auch noch zu. Wir haben einiges in der Vorbereitung, um da auch deutlich zu sagen: “Fallt nicht auf diese Extremisten mit diesen Sprüchen rein, sondern nehmt die Chancen, die diese Gesellschaft Euch bietet, wir unterstützen Euch dabei.“ Das ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Teil von Prävention.

domradio.de: Ist das Problem mit Salafisten in Bonn eigentlich nach Ihrer Wahrnehmung in den vergangenen Jahren größer geworden oder stagniert es?

Manemann: Wenn ich jetzt auch in andere Städte gucke - ich habe ja auch Kontakt zu meinen Kolleginnen und Kollegen in anderen Städten. In Bonn ist es immer schon anders gewesen durch unsere Vorgeschichte als Bundeshauptstadt, durch unsere Zusammensetzung der Moscheen und anderes. Es ist größer geworden auch durch die öffentliche Wahrnehmung. Die öffentliche Wahrnehmung hat sich verstärkt auch durch die sehr intensive Internetnutzung, sowohl der Prediger und der Gruppen, als auch der Zielgruppe. Dadurch ist es eigentlich in einem Maße öffentlich, das man vorher so nicht kannte und das auch immer mehr wird. Ich glaube, für viele dieser Prediger geht es ja letztendlich nicht um Religion. Es geht um Selbstdarstellung, es geht um eigene Ziele - das sind keine integren oder politische Ziele. Aber natürlich gibt es zu viele junge Muslime, die darauf hereinfallen. Insofern ist das Problem größer geworden.

domradio.de: Würden Sie der Aussage des WDR-Berichtes zustimmen, dass Salafisten den Bonner Rat der Muslime unterwandern?

Manemann: Das kann ich so nicht einschätzen. Der Rat der Muslime ist ja kein Dachverband, er ist auch kein Zusammenschluss aller Moscheegemeinden, und die meisten muslimischen Vereine sind dort gar nicht Mitglied. Er ist für die Stadt auch nur ein Gesprächspartner unter vielen. Wir haben zu vielen, die sich klarer positionieren, deutlich engeren Kontakt als zum Rat der Muslime. Insofern ist das jetzt vielleicht etwas hoch gegriffen mit der Unterwanderung, aber dass der Sprecher des Rates der Muslime gleichzeitig zu Veranstaltungen mit diesen Predigern wie in Köln aufruft, das ist nicht in Ordnung und das wird die Stadt auch nicht hinnehmen.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR