Viele Pilger sagen Jerusalembesuch wegen Unruhen ab

Verlierer auf allen Seiten im Heiligen Land

In Jerusalem bleiben wegen der Unruhen die Pilger aus. Dabei wären sie für die Christen gerade jetzt wichtig, bewertet Michael Mertes von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Über den Krieg im Heiligen Land, den keiner gewinnen kann.

Blick auf Jerusalem (dpa)
Blick auf Jerusalem / ( dpa )

domradio.de: Wie stark beeinträchtigt der Raketenbeschuss der Hamas den Alltag in Jerusalem?

Michael Mertes (Konrad-Adenauer-Stiftung): In Jerusalem sind wir davon seit einigen Tagen nicht mehr betroffen. Den letzten Raketenalarm hat es am Samstag gegeben. Man merkt die Veränderung insofern als sehr viele Pilgergruppen, sehr viele Touristen ihre Besuche hier abgesagt haben. Es ist wenig los. Dabei wäre es natürlich gerade für die Christen hier zu Lande sehr wichtig, wenn Besucher aus Deutschland, aus Europa kämen. Im Übrigen haben wir hier Ramadan, normalerweise herrscht nach Sonnenuntergang beim Fastenbrechen so etwas wie Volksfeststimmung in der Altstadt. Das haben wir in diesem Jahr nicht. Es ist alles ganz ruhig.

domradio.de: Wenn man von Außen auf den Konflikt schaut, kann man seit vielen Jahren nicht begriffen, warum es immer wieder vorwärts und dann wieder zurückgeht. Nehmen wir den jüngsten Punkt: Warum hat die Hamas die einseitige Waffenruhe Israels nicht für Gespräche genutzt?

Mertes: Weil die Hamas mit ihren Raketenangriffen ein ganz bestimmtes politisches Ziel verfolgt, das sie bislang noch nicht erreicht hat. Zum einen hat meines Erachtens die Hamas das große strategische Ziel, eine Situation herbeizuführen, in der es im Westjordanland zu einem großen Aufstand, zu einer dritten Intifada kommt. Die Hamas kalkuliert dabei zynisch mit dem Tod vieler Palästina im Gaza-Streifen. Sie möchte, dass die Bilder, die um die Welt gehen, dazu führen, dass bei den arabischen Massen von Marokko bis Jordanien die Wut steigt, dass auch im Westjordanland die Wut steigt, so dass die Leute sich schließlich in einer dritten Intifada erheben. Der andere Punkt ist: Die Hamas wird einer Waffenruhe nur dann zustimmen, wenn sie auch einen "Erfolg" vorweisen kann. Das ist ihr im November 2012 gelungen, damals hatten wir eine ähnliche Situation. Sie hat damals eine Lockerung der Blockade erreicht, die sie als großen Sieg feiern konnte. Im Augenblick ist Israel aber zu einer solchen Konzession nicht bereit.

domradio.de: In der Nacht wurden Häuser der Hamas-Führung bombardiert. Ist das eine "geeignete" Maßnahme, um die Hamas zu Gesprächen zu zwingen?

Mertes: Nach Darstellung der israelischen Armee handelt es sich nicht einfach um Wohnhäuser, sondern um militärische Kommandozentralen. Das muss man dazu als erstes sagen. Zweitens muss man dazu sagen, dass die Hamasführer - die ja nun wirklich totalitäre Diktatoren sind, man soll die auch nicht verharmlosen - mit der Tunnelwirtschaft im Süden des Gaza-Streifens gewaltige Reichtümer angehäuft haben, während ihre eigene Bevölkerung darbt. Mir hat ein israelischer Gesprächspartner gesagt, wenn man ihr eigenes Eigentum angreift, dann ist das eine Sache, die einen Nerv bei ihnen trifft.

domradio.de: Glauben Sie, dass diese Maßnahme wirklich Erfolg hat?

Mertes: Das kann man so natürlich nicht beantworten. Wenn diese Häuser tatsächlich Kommandozentralen gewesen sind, dann hat das militärisch durchaus seinen Sinn. Ich glaube, dass insgesamt das israelische Vorgehen darauf gerichtet ist, der Hamas zu zeigen, dass sie keinen Erfolg haben kann. Wir haben ja überhaupt das Problem in dieser Auseinandersetzung, dass weder die Hamas noch Israel den Krieg gewinnen kann. Für Israel würde ein Sieg bedeuten, die Besetzung des Gaza-Streifens und den Beginn eines großen Blutvergießens, das Israel nicht durchhalten kann. Das ist auch eine Sache die Israel nicht will, insbesondere nicht Premier Netanjahu, weil es weiß, dass dieser Preis viel zu hoch ist. Auf der anderen Seite möchte die Hamas irgendetwas vorweisen können, dass sie in der arabischen Welt, insbesondere bei den Palästinensern dastehen lässt als eine Kraft, die in der Lage ist, Israel Konzessionen abzuringen.

domradio.de: Israel hatte die Luftangriffe zuvor angekündigt und die palästinensische Zivilbevölkerung zur Flucht aufgerufen. Wie ist die Situation der Menschen im Gaza-Streifen?

Mertes: Die Situation ist furchtbar. Ich kann hier von Jerusalem aus auch nur verfolgen, was in den Fernsehnachrichten gezeigt wird.

Das Interview führte Mathias Peter

 

Quelle:
DR