Politiker für Waffenlieferungen zur Verteidigung der Kurden

"Verantwortung, das Schlimmere zu verhindern"

Im Irak droht ein Völkermord. In Deutschland mehren sich die Stimmen der Politiker, die Kurden nicht nur mit Hilfsgütern, sondern auch mit Waffen zu unterstützen. Doch die hitzige Debatte offenbart ein grundsätzliches Dilemma.

Kurdin bei einer Demonstration in Hannover (dpa)
Kurdin bei einer Demonstration in Hannover / ( dpa )

Politiker von Union, SPD und Grünen haben sich offen für Waffenlieferungen in den Irak gezeigt. "Wir können nicht zusehen, wie bis an die Zähne bewaffnete Fanatiker Tausende unschuldige Menschen umbringen und deren Verteidiger keine wirksamen Mittel zum Schutz haben", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel dem "Spiegel". Es sei ein Dilemma, aber "am Ende dürfen wir bei einem Völkermord vor unseren Augen nicht tatenlos zuschauen". 

Schwierige Grundsätze

Auch in der Union mehren sich die Stimmen für Waffenlieferungen zur Verteidigung der in der Region verfolgten Jesiden und Christen. CDU-Vizechefin Julia Klöckner sagte: "Wer Waffenlieferungen grundsätzlich ausschließt, wird beim Kirchentag zwar mit viel Applaus bedacht, als Politiker kann man aber nicht nur auf den Applaus und den ruhigen Schlaf schielen." Verantwortung bedeute auch, abzuwägen und das Schlimmere zu verhindern. 

"Tote zu zählen ist keine Option"

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) forderte, im Extremfall auch Schutzausrüstung und Abwehrwaffen zu schicken: "Sich zurücklehnen und hinterher die Toten zählen - das ist keine Option." Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) sprach sich ebenfalls für deutsche Waffenlieferungen an die Kurden aus. Eine Terrormiliz wie den "Islamischen Staat" (IS), die Menschen grausam ermorde und Frauen unterdrücke, "kann man weder mit Gebetskreisen noch mit Spruchbändern stoppen", sagte Fischer der "Bild am Sonntag". Er betonte, "ein islamistischer IS-Staat würde auch unsere Sicherheit hier gefährden". 

Fischers Kritik an Käßmann

Scharfe Kritik übte Fischer an der ehemaligen evangelischen Landesbischöfin Margot Käßmann, die Deutschland zu einem "bedingungslosen Pazifismus" aufgefordert hatte. "Unser Strafrecht verpflichtet jeden Bürger, bei einer schweren Straftat dem Opfer beizustehen. Wer dies verweigert oder wegschaut, der macht sich strafbar. Das muss auch Margot Käßmann begreifen."

Was mt den Waffen passiert

Dagegen warnte der Konfliktforscher Otfried Nassauer vor einer militärischen Aufrüstung der Kurden im Nordirak, die dort gegen die IS-Truppen kämpfen. In der Regel gingen Konflikte durch Waffenlieferungen nicht nur weiter, sondern die Waffen wanderten später zu anderen Konflikten, so der Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit im Deutschlandradio Kultur.

Steinmeier: Stopp der IS-Miliz im Interesse Europas 

Ein Stopp der islamistischen IS-Miliz im Irak liegt nach Ansicht von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier "im Interesse Europas". Nach der Errichtung eines "Terrorstaats jenseits der bestehenden Grenzen" im Mittleren Osten würde die Organisation "Islamischer Staat" (IS) zweifellos versuchen, den Terror in andere Regionen und auch nach Europa zu tragen, sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag". 

"Menschen werden wahllos hingeschlachtet"

Im Anschluss an Gespräche in Bagdad sagte der Minister, die IS-Milizen gingen mit unvorstellbarer Brutalität vor: "Menschen werden hingeschlachtet, wahllos erschossen, geköpft." Danach würden die Köpfe zur Einschüchterung gezeigt und im Internet präsentiert, so Steinmeier. 

UN-Experten haben wiederholt vor einer unumkehrbaren Katastrophe für religiöse Minderheiten im Irak gewarnt. Ohne dringend notwendigen Schutz hätten unter anderem Christen, Schiiten und Jesiden den höchsten Preis zu zahlen. Sie würden wegen ihrer ethnischen oder religiösen Herkunft verfolgt.

Mehrheit der Deutschen gegen Waffenlieferungen

Laut mehreren Emnid-Umfragen für unterschiedliche Auftraggeber lehnt eine Mehrheit der Deutschen Waffenlieferungen an die Kurden im Irak ab. 74 Prozent seien dagegen, 22 Prozent dafür, berichtete die "Bild am Sonntag". Einer Studie im Auftrag des "Focus" zufolge befürworten 15 Prozent Waffenlieferungen und humanitäre Hilfe. Dagegen sagten knapp zwei Drittel der Bundesbürger (63 Prozent), Deutschland solle sich mit humanitärer Hilfe engagieren. 19 Prozent lehnten jedes Engagement bei Konflikten im Ausland ab.


Steinmeier auf dem Weg nach Bagdad (dpa)
Steinmeier auf dem Weg nach Bagdad / ( dpa )

Margot Käßmann ist gegen Waffenlieferungen (dpa)
Margot Käßmann ist gegen Waffenlieferungen / ( dpa )
Quelle:
KNA