domradio.de: Frontex ist eine Grenzschutzagentur - was genau machen die denn eigentlich?
Günter Burkhardt (Geschäftsführer von Pro Asyl): Frontex ist in der Ägäis im Einsatz gewesen, hat Boote von Flüchtlingen aufgespürt und dann den griechischen Behörden gemeldet. Bis letztes Jahr Dezember wurden diese Boote gnadenlos von Griechenland zurückgeschleppt in das offene Meer, in die Türkei. Die Flüchtlinge wurden wieder ausgesetzt und es wurde überhaupt nicht geprüft: Sind das Menschen, die Schutz brauchen? Zum Beispiel Menschen aus dem Irak, Syrien, Afghanistan, Iran.
domradio.de: Das bedeutet, Sie sind gegen den Einsatz dieser Agentur?
Burkhardt: Wir sind dafür, dass Füchtlinge an der Grenze registriert werden. Aber wenn die Pläne so weit gehen, wie es unser Innenminister formuliert, dass er sagt, Frontex könne ein Schiff dahin zurückschleppen, wo es hergekommen ist - zum Beispiel in die Türkei - dann ist dies aus unserer Sicht ein Bruch der Europäischen Menschenrechtskovention, ein Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Türkei inhaftiert Flüchtlinge - hunderte - nach diesem Deal mit der Europäischen Union. Sie werden zurückgeschickt nach Syrien, in den Irak - jedenfalls einige hundert. Und vor allem gewährt die Türkei keinen dauerhaften Schutz. Deswegen haben wir massiv etwas dagegen, dass Menschen, ohne dass man prüft: Sind das Schutzbedürftige, einfach zurückgeschickt werden.
domradio.de: Jetzt hört man immer wieder, ein Argument dafür sei, wenn Flüchtlinge an dieser illegalen Einreise so natürlich gehindert werden, könnte das die Fluchtwege vielleicht auch sicherer machen. Was sagen Sie denen denn?
Burkhardt: Wir sind sehr dafür, dass Menschen legal kommen dürfen. Pro Asyl und die Kirchen haben immer gefordert, dass Deutschland die Aufnahmeprogramme für Syrer mit Angehörigen hier fortsetzt. Die wurden beendet. Im Moment sehen wir, dass auf den griechischen Inseln vermehrt Frauen und Kleinkinder ankommen, weniger Männer. Das bedeutet, die Ankündigungen, in Deutschland den Familiennachzug zu begrenzen und zu stoppen, der hat schon dazu geführt, dass im Moment vermehrt auch Frauen und Kinder in die Boote gehen. Und das sind oft diejenigen, die die Überfahrt nicht überleben, die zu Tode kommen, die unter Deck sind. Also, wir sind für legale Wege. Trotzdem muss es ein individuelles Asylrecht geben, wo Menschen, die spontan kommen, Schutz beantragen können.
domradio.de: Allerdings, durch diese Kontrollen würden doch zum Beispiel auch eventuelle Dschihadisten bei den Grenzkontrollen entdeckt.
Burkhardt: Ich glaube, die Dschihadisten kommen nicht als Flüchtlinge, und wenn, sind sie gezielt vom IS eingeschleust worden. Der IS hat ja ein massives Ziel, alle Flüchtlinge zu diskreditieren. Wer aus seinem Kalifat flieht, ist ein Abweichler. Der IS will das Asylrecht kaputtmachen. Es gibt genügend Möglichkeiten, nach Europa zu kommen. Und diejenigen, die Terroranschläge verursacht haben, sind französische und belgische Staatsbürger gewesen, keine Flüchtlinge.
domradio.de: Das bedeutet, was wären Ihre Alternativen, was schlagen Sie vor?
Burkhardt: Wir schlagen vor, dass Flüchtlinge legal einreisen dürfen, mit Angehörigen in Deutschland und in anderen EU-Staaten. Es muss Möglichkeiten geben, dass das Resettlement ausgebaut wird und zwar nicht nur in Deutschland sondern generell. Hier versagen die europäischen Staaten - die anderen europäischen Staaten, möchte ich betonen. Europa glaubt, sich zu einer reinen Währungsunion entwickeln zu können. Der österreichische Bundeskanzler hat Recht, wenn er sagt: Wenn die anderen nicht mitziehen. hat das finanzielle Konsequenzen für sie. Wir sind in einer sehr kritischen Phase in Europa. Unsere Forderung ist: Die Europäische Union basiert auf den Menschenrechten. Die gelten uneingeschränkt. Es droht aber eine Erosion der Menschenrechte und damit des Fundaments, auf dem unsere Gesellschaft basiert.
Das Interview führte Verena Tröster.