Papst Benedikt XVI. hat auf der letzten Generalaudienz seines Pontifikats zu Gottvertrauen aufgerufen. Gott liebe die Menschen, er erwarte aber auch, "dass wir ihn lieben", sagte er am Mittwoch auf Italienisch vor rund hunderttausend Pilgern auf dem Petersplatz. Seine Ansprache wurde immer wieder von großem Jubel unterbrochen.
Er kehre "nicht ins Privatleben zurück", erklärte das 85-Jährige Kirchenoberhaupt. Er werde das Kreuz weitertragen. Nur werde er von nun an nicht mehr in der Öffentlichkeit stehen, sondern mit Kontemplation und Gebet seiner Kirche dienen. Benedikt rief dazu auf, für die Kardinäle zu beten, die im März seinen Nachfolger wählen werden. Seine Amtszeit endet an diesem Donnerstag.
Benedikt rechtfertigte noch einmal seinen Rücktritt als Repräsentant von mehr als einer Milliarde Katholiken. Er habe diesen Schritt in "voller Klarheit" und Gelassenheit getan. Wer die Kirche liebe, müsse manchmal solche tiefgreifenden und ungewöhnlichen Entscheidungen treffen. Das Papstamt kenne keine Privatheit. Der Papst gehöre nicht mehr sich selbst, sondern er gehöre allen.
Zugleich dankte Papst Benedikt XVI. den Kardinälen, Bischöfen und dem ganzen Kirchenvolk für die Unterstützung und die Gebete, die er in den letzten Tagen erfahren habe: "Der Papst ist nie allein." Er dankte vor allem den vielen einfachen Menschen, die ihm ihre Zuneigung haben spüren lassen. In einer Zeit, in der viele nur noch von Zerfall sprechen würden, sei diese Solidarität ein Symbol für die Lebendigkeit der Kirche.
Mit Blick auf zahlreiche Krisen in der Kirche sprach er auch von unruhigen Zeiten, ohne konkrete Beispiel zu nennen. In Anspielung auf die biblische Geschichte von der Stillung des Sturmes sprach Benedikt von "aufgewühltem Wasser". Der Herr Jesus Christus habe ihn während seines Pontifikates aber stets geleitet, er habe immer seine Anwesenheit gespürt.
Mit diesen Worten in deutscher Sprache verabschiedete sich Papst Benedikt XVI. von den deutschsprachigen Gläubigen:
"Liebe Brüder und Schwestern! In diesen Tagen danke ich Gott aus tiefstem Herzen, der stets die Kirche führt und gedeihen lässt. Ihm vertraue ich die Kirche in aller Welt an. Wir wissen, das Wort der Wahrheit des Evangeliums ist die Kraft und das Leben der Kirche. In dieser Gewissheit habe ich vor knapp acht Jahren ja dazu gesagt, das Amt des Nachfolgers Petri anzunehmen. Und der Herr hat mich immer geführt und war mir nahe – in Zeiten der Freude und des Lichts, aber auch in schwierigen Zeiten. Wie Petrus und die Jünger im Boot auf dem See von Galiläa wusste ich, der Herr ist im Boot, ja, es ist sein Boot. Er führt das Schiff der Kirche. Nichts kann diese Gewissheit verdunkeln. Ich lade euch ein, in diesem Jahr des Glaubens euer Vertrauen in den Herrn zu erneuern; sein Arm hält uns, auch und gerade in der Mühsal. Mein Wunsch ist, dass alle die Freude spüren, wie schön es ist, Christ zu sein und zur Kirche zu gehören. Ein Papst scheint allein, aber er ist nicht allein, wenn er das Schifflein Petri lenkt. So danke ich allen, die mir in der Ausübung des Petrusamtes großherzig geholfen haben. Bei den Audienzen, bei den Pastoralreisen und den vielen Begegnungen konnte ich die Zuneigung und Liebe unzähliger Menschen zum Nachfolger Petri spüren. Sie alle schließe ich in mein Gebet ein und ebenso die ganze Welt. Schließlich danke ich euch allen, dass ihr meine Entscheidung, die ich vor dem Herrn zum Wohl der Kirche getroffen habe, mit Respekt und Verständnis aufgenommen habt. Ich werde meinerseits weiterhin den Weg der Kirche im Gebet begleiten.
Ein herzliches „Vergelt’s Gott“ sage ich allen Brüdern und Schwestern deutscher Sprache – euch, liebe Freunde, die ihr zu dieser letzten Generalaudienz meines Pontifikats gekommen seid, und allen zu Hause. Dank auch an die Blaskapelle, die so schön gespielt hat. Gott leitet die Kirche. Der Herr trägt sie immer, gerade auch in schwierigen Zeiten. Diese Sicht aus dem Glauben wollen wir nie verlieren. Wir dürfen stets gewiss sein, dass der Herr uns nahe ist, uns nicht verlässt und uns stets mit seiner Liebe umfängt. Im Gebet bleiben wir miteinander verbunden. Von Herzen segne ich euch alle."
Zahlreiche Kardinäle anwesend und zu Tränen gerührt
Unter dem großen Jubel Zehntausender Pilger war Benedikt zuvor mit dem Papamobil auf dem Petersplatz eingetroffen. Bei strahlendem Winterwetter feierte die Menschenmasse das Oberhaupt der katholischen Weltkirche. Die Gläubigen schwenkten Dankesgrüße und Fahnen, während Benedikt - begleitet von Orgelmusik - zunächst mit dem Papamobil durch ihre Reihen fuhr und die Menschen grüßte. Zwischenzeitlich hielt das Papamobil mehrmals an und der Papst küsste kleine Kinder, die ihm hochgereicht wurden, zum Segen.
Auch zahlreiche Kardinäle aus aller Welt hatten sich zur Audienz eingefunden. Viele hatten Tränen in den Augen. Aus Bayern kamen Hunderte Pilger, um den aus Marktl am Inn stammenden Joseph Ratzinger noch einmal feiern zu können. Unter den Deutschen, die sich für die Audienz angesagt hatten, sind der bayerische Regierungschef Horst Seehofer (CSU) und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Trotz Temperaturen wenig über null Grad hatten sich die Menschen schon in den frühen Morgenstunden auf den Weg gemacht, um sich die besten Plätze für den letzten öffentlichen Auftritt des scheidenden Kirchenoberhauptes zu sichern.
Am Donnerstag um 17 Uhr soll Benedikt XVI. in den Hubschrauber steigen und nach Castel Gandolfo fliegen, in die Päpstliche Sommerresidenz, in der er die nächsten Monate verbringen wird, bis sein endgültiges Domizil innerhalb der Vatikan-Mauern fertig ist. Gegen 17.30 Uhr wird der Papst noch einmal kurz die Gläubigen grüßen - und von da an in völliger Zurückgezogenheit leben.
Um 20 Uhr ist das Pontifikat des bayerischen Papstes Geschichte: Aus Benedikt wird der "emeritierte Papst" oder "emeritierte" römische Pontifex, die Schweizer Garden werden vom Palasttor in Castel Gandolfo abziehen, wie Lombardi am Dienstag erläuterte. "Denn die Schweizer Garde beschützt den Papst, und er wird dann ja nicht mehr im Amt sein."
Fischerring wird vernichtet
Der Fischerring und das Bleisiegel von Papst Benedikt XVI. werden dann vernichtet. Der Camerlengo, Kardinalstaatssekretär Tarciso Bertone (78), werde die Vernichtung veranlassen. Zu Zeitpunkt und näheren Umständen konnte Vatikansprecher Lombardi keine Angaben machen. Der Fischerring wird gemäß dem Kirchenrecht nach dem Tod eines Papstes vom Camerlengo in Verwahrung genommen. Im Laufe einer der ersten Kardinalsversammlungen, die während einer Sedisvakanz die vatikanischen Amtsgeschäfte leiten, wird die päpstliche Insignie zerbrochen.
Der "Fischerring" verdankt seinen Namen einer Abbildung des Petrus, der ein Netz mit Fischen in ein Boot zieht. Die Darstellung erinnert an die erste Begegnung Jesu mit Petrus. Der Fischerring wird dem Papst im Rahmen des Gottesdienstes zur Amtseinführung vom Kardinaldekan, dem ranghöchsten Kardinal, zusammen mit einer weißen Wollstola, dem Pallium, übergeben. Derzeit bekleidet das Amt des Kardinaldekans Angelo Sodano (85).