Weihbischof Wörner zur Aufgabe der Neuevangelisierung

"Der Glaube in den Herzen der einzelnen wächst"

Im ersten großen Kapitel vom Papstschreiben "Evangelii Gaudium" schreibt Papst Franziskus, die Missionstätigkeit sei die größte Herausforderung  der Kirche. Weihbischof Florian Wörner erklärt diese große Aufgabe.

Weihbischof Florian Wörner (Bistum Augsburg)

domradio.de: Herr Weihbischof, die größte Herausforderung im Wirken der Kirche, schreibt Papst Franziskus, ist die Missionierung, die Neuevangelisierung. Sehen Sie das auch so?

Wörner: Das sehe ich auch so. Ich bin seit knapp eineinhalb Jahren mit der Leitung dieses benannten Instituts beauftragt, das wir neu gegründet haben in unserem Bistum. Und das dient genau diesem Anliegen, das Papst Franziskus in diesem Schreiben so leidenschaftlich für die ganze Kirche beschrieben hat. Also einen Mentalitätswandel herbeizuführen und dafür zu sorgen, dass alles was wir tun, was wir sagen, diesem Anliegen, missionarischer zu werden, dient.

domradio.de: Was macht denn die Herausforderung so groß, dass der Papst sie "die größte Herausforderung" nennt?

Wörner: Also ich meine, dass wir uns, indem was wir so tun - Land auf Land ab, in den Pfarreien, in den Diözesen - dass wir vielleicht tatsächlich mehr darauf bedacht sind diese Selbstbewahrung - wie er es kritisiert - im Blick zu haben und nicht so sehr bemüht sind missionarisch zu sein, das Evangelium zu bezeugen, in unseren Reden, in unserem Denken, in unserem Tun. Da muss eine Verwandlung geschehen. Das war unsere erste Aufgabe: Dass wir durch unser Bistum reisen und versuchen diesen missionarischen Geist wieder lebendig werden zu lassen.

domradio.de: Jetzt haben Sie die Verwandlung schon angesprochen. Ich zitiere mal aus dem päpstlichen Schreiben. Dort heißt es: "Ich träume von einer missionarischen Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, Stile, Zeitpläne, der Sprachgebrauch, jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung als der Selbstbewahrung dient." Das klingt wirklich sehr radikal, wenn man das so liest. Heißt das wirklich, man muss alles auf den Kopf stellen?

Wörner: Nein, das glaube ich nicht. Ich nehme - zumindest in unserem Bistum, wo ich es überblicken kann - sehr viele Initiativen, ein großes Bemühen wahr, in allem was man tut: Erstkommunionvorbereitung, Gestaltung der Pfarrfeste und und und. Zu sehen, dass wir wieder wachsen, dass der Glaube in den Herzen der einzelnen wächst, aber das wir auch neue Leute wieder für den Glauben begeistern, das ist da. Aber ich sehe auch noch viel Verschlossenheit. Diese uralte Meinung, man könnte vielleicht den Gottesdienst etwas attraktiver gestalten und dann kommen die Leute. Das mag auch eine Rolle spielen, aber das wäre viel zu kurz gegriffen, wenn man dabei stehen bleiben würde.

domradio.de: Wie weit müsste es denn gehen? Wie könnte eine Neuevangelisierung aussehen in Deutschland, in den westlichen Ländern, wo es die großen bekannten Probleme gibt, wie den Priestermangel?

Wörner: Also ich würde mir wünschen, dass man in allen Gremien, Pfarrgemeinderat, Diözesanrat, auf Bundesebene, bei allen was man plant, was man durchführt - vom Katholikentag, Pfarrfest, bis hin zu unseren Vorbereitungen auf die Sakramente - dass wir alles auf den Prüfstand stellen und uns überlegen: "Dient das, dass Menschen zum Glauben kommen? Dass Menschen Freude haben oder Lust bekommen das Evangelium zu lesen, sich damit zu beschäftigen? Wie reden wir, welche Gewohnheiten pflegen wir, wie teilen wir unsere Zeit ein und ist das alles missionarisch." Das Wort Mission, dass wir das überhaupt in den Mund nehmen können, ist ja noch gar nicht so lange her. Es war ja auch eine Zeit lang verpönt von Mission zu sprechen.

domradio.de: Der Papst wünscht sich ja, dass das Evangelium wieder mehr bei den Menschen ist. Er schreibt auch, die Kirche soll auf kreativen Wegen, neue Möglichkeiten suchen. Sucht man da bei Ihnen im Institut im Bistum Augsburg auch nach diesen kreativen Möglichkeiten?

Wörner: Ja, wir haben jetzt einen Kurs angeboten. "Mission POSSIBLE" nennt sich der. Das ist ein Kurs für Ehrenamtliche, bei dem es genau darum geht zu fragen: “Wie können wir apostolischer Wirken?“ In den Pfarreien, in den Verbänden, in den Einrichtungen haben sich 30 Leute angemeldet und wir beginnen da so konkret, dass wir sogar die Situation in einer Arztpraxis üben. Man erzählt sich die Krankheiten. Und da mal das Gespräch hinzulenken, mir tut das Gebet, mit tut mein Glaube gut. Also solche Situationen auch wahrzunehmen. Wo kann ich aus meinem Glauben heraus sprechen, sich das auch trauen, Worte zu finden, also sprachfähig zu sein und Auskunft zu geben von dem, was mich prägt, was mich stützt und was meine Hoffnung erfüllt. Also solche ganz konkreten Dinge mal anschauen. Alltagssituationen bis hin zu Aktionen. Ich habe neulich eine schöne Aktion kennengelernt: "Misiones" von der Schönstatt-Jugend, die einmal im Jahr eine Pfarrei in Deutschland aufsuchen und zehn Tage lang apostolisch tätig sind: Von Haus zu Haus gehen, mit den Menschen ins Gespräch kommen und einladen zu Gottesdiensten und Gesprächen. Eine ganz tolle, attraktive Aktion. Ich habe mir gedacht, dass können wir in unserem Bistum auch mal überlegen und umsetzen.

domradio.de: Sie sind als Bischof auch ein Verkünder des Evangeliums. Mit welcher Motivation gehen sie persönlich diese Herausforderung an? Ist es einfach eine Freude bei den Menschen zu sein und den Glauben wieder neu nahezubringen?

Wörner: Das kann ich 100 Prozent unterstreichen. So beginnt ja dieses Schreiben. Die Freude am Evangelium, ist eine missionarische Freude. Das prägt mich, seit ich im Dienste der Kirche bin. Natürlich weiß ich, dass es auch manchmal Widerstände und Schwierigkeiten gibt. Das gehört für den, der sich aufmacht das Evangelium zu verkünden dazu. Wir stehen ja in der Nachfolge des Herrn. Das bedeutet auch Kreuztragen. Aber es ist wirklich eine Freude. Es ist zutiefst erfüllend diese großartige Botschaft, diesen großartigen Glauben aufleuchten zu lassen und den Menschen nahezubringen, weil ich zutiefst überzeugt bin, dass es weiterhilft, dass es hilft dieses Leben anzupacken und es eine große Perspektive aufzeigt, nämlich die Ewigkeit.

Das Interview führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR