domradio.de: Welche Verantwortung kann die Kirche überhaupt im Syrien-Konflikt übernehmen?
Bischof Ackermann: Das Wichtige ist, dass die Kirche immer wieder Solidarität zeigt mit den Menschen vor Ort, dass wir hinweisen auf die Situation. Das zieht sich ja jetzt schon so lange hin und ist jetzt natürlich wieder stark in den Medien präsent durch den Giftgas-Angriff. Die Gefahr ist ja immer wegzuschauen, dass man ermüdet und sagt, es gebe keine Perspektiven, dass man des Themas müde wird. Das ist ein wichtiger Punkt, als Kirche immer wieder darauf hinzuweisen, was die Zivil-Bevölkerung erleiden muss. Dass wir solidarisch sind auch im Gebet mit den Menschen vor Ort. Papst Franziskus hat ja am Sonntag auch noch einmal deutliche Worte gefunden, indem er einen Stopp des Blutvergießens gefordert und zu Verhandlungen aufgerufen hat.
Die für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissarin hat ja schon Anfang des Monats drauf hingewiesen, dass von den über sechs Millionen Syrern, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, die Hälfte Kinder sind. Das muss man sich einmal vorstellen: Drei Millionen Kinder, die von diesem Konflikt und Blutvergießen betroffen sind! Sie hat gesagt, hier werde vor allen Dingen auch ein Krieg gegen Kinder geführt. Das ist unfassbar, das darf nicht aus unserem Bewusstsein verschwinden und aus dem Bewusstsein der politisch Verantwortlichen.
domradio.de: Die USA denken jetzt über einen Militärschlag nach. Glauben Sie, eine zweitägige Intervention kann den Konflikt in Syrien lösen?
Bischof Ackermann: Laut der Meinung von Fachleuten kann man nicht sagen, dass zu diesem Zeitpunkt und mit den vorhandenen Informationen ein militärisches Eingreifen die Gewalt verkleinern würde. Und darum kann es ja nur gehen: Eine Einschüchterung im Sinne von Gewaltminimierung, um überhaupt wieder einen Raum für politische Lösungen und Verhandlungen zu eröffnen. Das Entscheidende ist jetzt, erst einmal die für den Einsatz von Chemiewaffen Verantwortlich zu finden. Diese Verbrechen muss geahndet werden. Das ist ein Bruch des Völkerrechts! Aber da muss man erst einmal Sicherheit bekommen, da helfen nicht nur Mutmaßungen. Jetzt schon einen kurzen Militärschlag führen zu wollen - was ja in der Regel auch nicht funktioniert - halte ich zu diesem Zeitpunkt für nicht verantwortbar.
domradio.de: Die Bundesregierung unterstützt die Rebellen bisher nur mit nicht-kriegstauglichem Material. Das bedeutet, Deutschland liefert keine Waffen an Syrien. Inwieweit sehen Sie Deutschland in der Verantwortung, nicht weiter nur zuzusehen?
Bischof Ackermann: Die Verantwortung liegt vor allen Dingen darin, alle Möglichkeiten zu nutzen, deutlich zu machen: Es muss verhandelt werden, Recht und Politik müssen wieder den Primat bekommen und nicht die militärischen Mittel. Uns haben Menschen vor Ort, auch Christen, auch Verantwortliche, immer wieder gesagt: Bitte keine Waffen schicken, lasst uns diesen Konflikt untereinander austragen, zu viele mischen sich außen ein und liefern Waffen. Und jetzt ist es immer weiter eskaliert. Es geht wirklich darum, hier zu politischen Lösungen zu kommen, so illusorisch das auch klingen mag. Das andere macht die Situation nur noch schlimmer und eskaliert nur noch mehr.
Das Interview führte Tobias Fricke. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann ist Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden). Hierbei handelt es sich um eine Art "Runder Tisch" der katholischen Einrichtungen und Organisationen, die im Bereich der internationalen Verantwortung der Kirche in Deutschland tätig sind. Justitia et Pax ist deren gemeinsame Stimme in Gesellschaft und Politik.