Bundestag beschließt Pflegereform

Mehr Leistungen und mehr Kosten

Der Bundestag hat am Freitag die Pflegereform von Union und SPD beschlossen: Die 2,6 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland bekommen demnach im kommenden Jahr höhere Leistungen. Die Beträge steigen dafür um vier Prozent.

Autor/in:
Christoph Arens
Häusliche Pflege soll gestärkt werden  / © Jens Kalaene (dpa)
Häusliche Pflege soll gestärkt werden / © Jens Kalaene ( dpa )

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen können ab Januar mit verbesserten Leistungen der Pflegeversicherung rechnen. Zugleich werden dann die Beiträge für die Gesetzliche Pflegeversicherung erhöht. Eine entsprechende Reform hat der Bundestag am Freitag mit den Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet.

Baustellen in der Pflege gibt es viele: Nicht nur, dass die Zahl der Pflegebedürftigen von heute 2,34 auf 4,51 Millionen im Jahr 2060 steigen dürfte. Auch die Zahl allein lebender Pflegebedürftiger nimmt zu. Ungewiss ist auch, wie weit Angehörige auf Dauer die häusliche Pflege angesichts veränderter Erwerbsbiografien und Familienstrukturen tragen können.

Bedarf für Pfleger verdoppelt sich

Zeitgleich wird sich der Bedarf an Pflegepersonal mehr als verdoppeln - von 629.600 auf 1,4 Millionen Vollzeitbeschäftigte. Schon heute gibt es aber einen Fachkräftemangel, und schon heute wirbt die Bundesrepublik im Ausland Pflegekräfte an. Auch Strukturen müssen verändert werden: Pflegekräfte in Heimen und bei ambulanten Pflegediensten beklagen Pflege im Minutentakt.

Ziel des am Freitag beschlossenen ersten "Pflegestärkungsgesetzes" ist es vor allem, die häusliche Pflege zu stabilisieren. Schließlich werden zwei Drittel der Pflegebedürftigen zu Hause betreut, doch die Angehörigen fühlen sich oft überfordert. Betroffene sollen deshalb mehr Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten erhalten. So können Angehörige künftig die Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege besser miteinander kombinieren und Unterstützung von außen einkaufen. Die meisten Leistungen der Versicherung werden inflationsbedingt um vier Prozent angehoben.

Vorsorgefonds aufbauen

Im Bereich der stationären Pflegeeinrichtungen soll die Zahl zusätzlicher Betreuungskräfte erhöht werden. Zudem will die Bundesregierung einen Pflegevorsorgefonds als "Demografie-Reserve" aufbauen. Über einen Zeitraum von 20 Jahren soll Geld angespart werden, um Beitragssteigerungen abzumildern, wenn die Babyboomer-Generation Pflege braucht.

In einem zweiten Pflegestärkungsgesetz will die Bundesregierung dann, wie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am Freitag noch einmal versicherte, noch bis 2017 den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen - ein Vorhaben, an dem sich schon mehrere Gesundheitsminister die Zähne ausgebissen haben. Damit würden die Leistungen für Demenzkranke entscheidend angehoben.

Erhöhung der Beitragssätze

Verbesserungen auf der einen Seite - steigende Kosten auf der anderen: 2015 sollen die Beitragssätze der Pflegeversicherung um 0,3 Prozentpunkte oder 3,6 Milliarden Euro erhöht werden. 0,2 Prozentpunkte davon oder 2,4 Milliarden Euro sollen für Leistungsverbesserungen verwendet werden. Die restlichen 0,1 Prozentpunkte gehen in den Pflegevorsorgefonds. Er ist stark umstritten: Kritiker befürchten, die Gelder könnten für andere politische Aufgaben zweckentfremdet werden. Zudem könne der Fonds angesichts niedriger Zinsen real an Wert verlieren.

Weitere 2,4 Milliarden sind für die zweite Stufe der Pflegereform eingeplant. Dafür sollen die Beiträge noch einmal um 0,2 Prozentpunkte erhöht werden. Fast 6 Millarden Euro mehr für die Pflege: Gröhe nimmt für sich in Anspruch, die Versicherung zukunftsfest zu machen.

Verbände halten Reform für ungenügend

Opposition, Gewerkschaften und Sozialverbänden reicht das aber bei weitem nicht aus: Die Reform sei "kein großer Wurf", so Linke und Grüne. Von "Notpflaster" sprachen Pflegeverbände. Linkspartei, DGB und Sozialverband Deutschland fordern eine "große Pflegereform". Deren Kernforderung ist eine "solidarische Bürgerversicherung", in die jeder seinen Einkünften entsprechend einzahlt. "Damit eine Neuausrichtung der Pflege gelingt, muss das Leistungsniveau der Pflegeversicherung deutlich angehoben werden", forderte die Linken-Fraktion in einem Bundestagsantrag.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bezeichnete es als besonders ärgerlich, dass "die Sterbenden wieder einmal leer ausgehen". Sie forderte eine eigene Pflegestufe für Sterbende.

 


Quelle:
KNA , dpa