Annäherung zwischen Papst und Boliviens Präsidenten

"Christ sein heißt Revolutionär sein“

Das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und der Linken in Lateinamerika ist durchaus schwierig, dabei haben beide ähnliche Ziele. Martin Hagenmeier, Lateinamerikaexperte bei Adveniat, erklärt im domradio.de-Interview die Hintergründe.

Armut ist in Lateinamerika allgegenwärtig (dpa)
Armut ist in Lateinamerika allgegenwärtig / ( dpa )

domradio.de: Meinen Sie denn hinter diesem Treffen steckt politisches Kalkül, um mehr Einfluss vonseiten des Vatikan auf Lateinamerikas Linke zu gewinnen?

Hagenmeier: Kalkül sicher nicht. Ich denke der Papst hat natürlich ein ehrliches Interesse mit den Menschen in Lateinamerika zu reden. Er kommt selber aus Lateinamerika und deshalb geht sein Blick auch zunächst auf Lateinamerika. Er hat aber auch natürlich ein offenes Ohr und Wort für alle Menschen.

domradio.de: Eine Annäherung des Papstes an lateinamerikanische Regierungschefs -  ist das nicht vielleicht auch ein Auftrag, der Franziskus mit in sein Amt gegeben worden ist als lateinamerikanischer Papst?

Hagenmeier: Zunächst ist der Papst natürlich Papst für alle Menschen und repräsentiert die Katholiken in der ganzen Welt. Mit einem lateinamerikanischen Papst wurde natürlich auch darauf Rücksicht genommen, dass Lateinamerika der Kontinent ist, indem die meisten Katholiken leben und deshalb gibt es schon auch ein starkes Interesse daran, dass der Papst diesen Kontinent stärker in den Blick nimmt. Politisch sind damit natürlich auch Aufgaben verbunden, sowie jeder Erdteil seine spezifischen Aufgaben hat. Wir haben in Lateinamerika heute auch eine Mehrheit an linken Regierungen und da ist es auch angebracht, dass sich der Papst mit diesen Vertretern trifft.

domradio.de: Es ist ja auch relativ naheliegend, dass der Papst die Abwanderung der Katholiken zu den evangelikalen Freikirchen in Lateinamerika verhindern will. Kann er das denn zumindest durch politische Annäherung erreichen? Diesem Ziel ein Stück näher kommen?

Hagenmeier: Also es gab Zeiten in denen es Regierungen gab, die ganz gezielt evangelikale Kirchen gefördert haben. Das waren vor allem rechte Diktaturen und die katholische Kirche war eben sehr engagiert im Bereich der Menschenrechte und im Einsatz für die arme Bevölkerung. Heute ist es schon so, dass natürlich die Politik einen Einfluss hat, so wie die Menschen auch reagieren und wie stark sie sich der Kirche annähern. Der Papst wird sich sicher dafür einsetzen, dass es Religionsfreiheit gibt. Die Ausübung der Religionen nicht verhindert wird. Das ist das erste Ziel. Und gerade in der Politik aber auch, dass die Politik eine echte Anerkennung der Arbeit macht, die die Kirche in den vielen Ländern leistet. Im sozialen Bereich, im erzieherischen Bereich ist die Kirche ja überall präsent.

domradio.de: Was verbindet und was unterscheidet eigentlich Franziskus von der Einstellung der linken Politik in Lateinamerika, wenn man das so überhaupt sagen kann?

Hagenmeier: Was ihn verbindet ist sicher dieses starke Engagement für die Gerechtigkeit, für eine Verbesserung der sozialen Situation der armen Bevölkerung. Was ihn trennt sind die Ideologien, die mit vielen linken Ideologen verbunden sind in der Politik. Die Politik des reinen Machterhalts. Es gibt natürlich sehr viel Korruption und die Politik ist natürlich nicht so menschlich und transparent. Es ist manchmal sehr schwierig auch für die Leute unter einer solchen Regierung zu leben.

domradio.de: Was könnte denn das Ziel von Franziskus sein, wenn man mal allgemein auf seine Beziehung zu Lateinamerika schaut. Was sollte der Papst, was muss er in den nächsten Jahren in Lateinamerika erreichen?

Hagenmeier: Der Papst möchte sicher eine lebendige Kirche, möchte Strukturen aufbrechen. Es ist wichtig, dass eben die Menschen gefördert werden. Er möchte eine aktive Kirche, wo auch die Basisgruppen verstärkt sich einsetzen für ihre konkrete Umwelt, ihren Glauben leben. Ich glaube, dass ist das Hauptziel, die Kirche zu verwirklichen, und eine lebendige Kirche ist natürlich auch attraktiv für viele, so dass vielleicht auch nicht so viele abwandern zu anderen Denominationen (Anmerk.d.R.: Religionen).

domradio.de: Meinen Sie, allein dass Franziskus aus Argentinien, aus Lateinamerika stammt verhindert schon alleine, dass diese Abwanderung der Katholiken zu den Freikirchen weitergeht?

Hagenmeier: Alleine, nicht diese Tatsache. Aber ich glaube die Tatsache hat einen sehr starken Impuls gegeben für die Kirche in Lateinamerika. Die Leute fühlen sich froh und bestärkt und sie werden sich natürlich noch viel mehr als bisher dafür einsetzen, dass die Kirche auch wirklich ihre Ziele verwirklicht, dass sie sich sozial engagiert. Ich glaube schon, das gibt einen starken Impuls für die Kirche.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Gottesdienst in Lateinamerika (KNA)
Gottesdienst in Lateinamerika / ( KNA )
Quelle:
DR