Bischof Wiesemann zum Salierjahr

"Feste gehören zum christlichen Weltbild"

Stadt und Bistum Speyer haben für 2011 ein Salierjahr ausgerufen. Ortsbischof Karl-Heinz Wiesemann erklärt im Interview, was er mit den historischen Jubiläen verbindet und warum er 2011 gleichzeitig zu einem Geistlichen Jahr machen will.

 (DR)

KNA: Herr Bischof Wiesemann, ein Blick in den Terminkalender des Bistums Speyer für 2011 zwingt fast zu der Frage: Feiern Sie gerne Feste?

Wiesemann: Ja. Feste gehören zur religiösen Kultur und zum christlichen Weltbild. Feste unterbrechen den Alltag und verweisen auf eine höhere Quelle des Lebens. Aber: Ein Fest ist etwas anderes als eine Fete. Die kann immer stattfinden. Feste dagegen haben ein festes Datum, sie sind "fest"-gesetzt und daher nicht beliebig. Wir haben einen Grund zu feiern, der sich auf die Heilstaten Gottes bezieht.



KNA: Im Mittelpunkt der historischen Jubiläen stehen die Salier. Wo finden sich heute noch Spuren des fränkischen Herrschergeschlechts, wo sehen Sie Bezüge zur Gegenwart?

Wiesemann: Kein anderes Bauwerk dokumentiert das Jahrhundert der Salier so sehr wie der Speyerer Dom. Die Zeit der Salier war sehr spannend: In ihr entwickelt sich das Verhältnis zwischen Kirche und Staat, zwischen Religion und Gesellschaft weiter. Es ging um die Freiheit der Kirche, um die Frage, ob sie ihre Bischöfe selbst einsetzen kann. Stichwort hier ist der Gang nach Canossa von Kaiser Heinrich IV. Und Heinrich V. förderte in Speyer die Bürgerfreiheit. Die Privilegien, die er der Stadt gewährte, wurden über dem Domportal angebracht. Die hier thematisierte Frage nach einem gut ausbalancierten Verhältnis von Staat und Kirche ist bis heute aktuell.



KNA: Erster Höhepunkt ist im April die Ausstellung über "Die Salier

- Macht im Wandel". Was kann die Schau vermitteln?

Wiesemann: Speyer hat kein eigenes Dommuseum. Das ist vielmehr Teil des Historischen Museums der Pfalz. Deshalb ist es uns wichtig, dass Menschen dort an ihre kulturellen und religiösen Wurzeln, an ihr geistiges und geistliches Erbe herangeführt werden. In einer Zeit, die immer häufiger nach Orientierung sucht, braucht es solche Ausstellungen.



KNA: 2010 die Staufer, 2011 die Salier. In den Buchhandlungen stapeln sich historische Romane, das Fernsehen ist voll von Mittelalterthemen. Woher stammt die Begeisterung und Sehnsucht der heutigen Menschen für diese Epoche?

Wiesemann: Das Mittelalter ist ein Faszinosum, eine schillernde Epoche, die viel mit unseren Wurzeln zu tun hat, eine Projektionsfläche jedweder Art. Einerseits gibt es heute offenbar eine Sehnsucht nach Halt und klarer Orientierung - und die hat die mittelalterliche Gesellschaft, die klar auf Gott hin ausgerichtet war, auf ihre Weise geboten. Eine Art Gegenprogramm zur Postmoderne mit ihrem everything goes. Aber im Mittelalter gab es auch Abgründe, dunkle und irrationale Seiten. Auch diese leben bis heute fort.



KNA: In Ihrem Hirtenbrief zum neuen Kirchenjahr rufen Sie im Zusammenhang mit der Neuordnung der Seelsorgestruktur dazu auf, 2011 neben allen Jubiläumsfeierlichkeiten auch zum "Geistlichen Jahr" zu machen. Was soll das heißen?

Wiesemann: Das fügt sich in einen längeren Prozess der Diözese ein. Wir haben eine lange Strukturdebatte begonnen und inzwischen auch eine neue Ordnung im Blick, die 2015 greifen soll. In der jetzigen Phase stellen wir uns inhaltlich der Frage: Wie können wir auch morgen eine lebendige Kirche sein? Deshalb nehmen wir das Domweihjubiläum zum Anlass, die ganze Diözese zu einem "Geistlichen Jahr" einzuladen. Neben aller geschichtlichen Betrachtung wollen wir das Bewusstsein dafür stärken, dass der Geist Gottes heute wirken will, dass wir selbst durch Taufe und Firmung der Tempel Gottes sind, lebendige Steine in seinem Haus. Dafür also ein Jahr der Unter-Brechung: um still zu werden vor Gott, um uns neu für ihn zu öffnen.



KNA: Auch in Ihrem Hirtenwort schreiben Sie viel über die Stille. Ist es Ihnen in dieser Gesellschaft und in der Kirche oft zu laut?

Wiesemann: Ja. Im normalen Leben kommt Stille bei vielen nicht mehr vor. Entweder man hat den Knopf im Ohr oder Fernseher und Computer an. Wir leben in einer überreizten Machergesellschaft und brauchen ab und zu eine Unterbrechung. Wir dürfen nicht mit unserem Reden und Tun Gottes Wirklichkeit zudecken. Stille ist mehr als die Unterdrückung des Redens, in ihr kann Gott zu uns sprechen.



KNA: Der Speyerer Dom gehört zum Weltkulturerbe. Wie sieht es mit

Restaurierung- und Instandhaltungsarbeiten aus?

Wiesemann: Die Domrenovierung ist noch lange nicht abgeschlossen. Aber an diesem fast 1.000 Jahre alten Bauwerk wird es sowieso immer etwas zu tun geben. Ganz wichtig ist unser großes Orgelprojekt, das hoffentlich noch vor dem Domweihfest im Oktober zum Abschluss kommt.



KNA: Anfang Oktober wird dann entsprechend einem alten Brauch bei kirchlichen Festen wieder der Domnapf mit Wein gefüllt. Wer spendiert den und was für ein Wein wird es sein?

Wiesemann: Es gibt in der Pfalz viele Weingüter und Winzergenossenschaften, die stolz auf den Speyerer Dom sind und es deshalb als Ehre ansehen, den Wein für eine Domnapffüllung liefern zu dürfen. Beim Domweihfest nächstes Jahr kommt der Wein aus Kirrweiler an der Weinstraße. Es wird ein Cuvee sein aus den ehemaligen fürstbischöflichen Weinbergen des Ortes.



Das Gespräch führte Michael Jacquemain.