Familienbund der Katholiken fordert familienfreundliche Arbeitsmodelle

Weg mit der Präsenzkultur!

Auf einer Linie ist der Familienbund der Katholiken mit Arbeitsministerin Nahles, wenn es um die Forderung nach familienfreundlichen Arbeitszeiten geht. Im Koalitionsvertrag fehlten aber Zusagen zur finanziellen Hilfe.

Zeit für die Familie im Advent (dpa)
Zeit für die Familie im Advent / ( dpa )

domradio.de: Was genau kritisiert Andrea Nahles da?

Claudia Hagen (Bundesgeschäftsführerin des Familienbundes der Katholiken): Was Frau Nahles kritisiert, ist der Anwesenheitswahn. Damit meint sie eine Präsenzkultur, also der Gedanke, dass nur derjenige Arbeitnehmer wirklich Leistungen bringt, der möglichst lange am Arbeitsplatz ist. Das ist noch eine sehr weit verbreitete Haltung in den deutschen Unternehmen und Betrieben, auch wenn sich da viel getan hat. Dieses Konzept müssen wir überdenken, um wirklich familienfreundliche Arbeitsplätze zu bekommen.

domradio.de: Wenn Sie sagen "wir", heißt das, das ist ein Vorstoß, den Sie unterstützen?

Hagen: Auf jeden Fall. Das fordert der Familienbund der Katholiken schon länger. Wir fordern flexiblere Arbeitszeiten oder auch die Möglichkeiten, die digitale Medien bieten, um neue Arbeitsformen zu schaffen, damit Familien da mehr Möglichkeiten haben, ihre Zeit zu gestalten und auch mal, wie Frau Nahles das als Beispiel nannte, ein Krippenspiel der Kinder am Nachmittag zu besuchen.

domradio.de: Wie kann das denn umgesetzt werden? Wie kann denn eine Vollzeit ohne Anwesenheitswahn aussehen?

Hagen: Die neue Regierung hat sich dazu in ihrem Koalitionsvertrag schon ausgesprochen. Sie sagt, dass die Digitalisierung eben neue Angebote bietet, flexible Arbeitszeitmodelle und die Beschäftigten eine größere Arbeitsautonomie bekommen sollen, also ein größeres Mitspracherecht, auch mal von Zuhause aus zu arbeiten, wenn das denn möglich ist, wenn sich das mit den betrieblichen Abläufen vereinbaren lässt. Da einfach stärker auch die Möglichkeit zu nutzen, Telearbeitsplätze in Anspruch zu nehmen. Die Regierung hat sich verpflichtet, den öffentlichen Dienst, die öffentliche Verwaltung dort stärker in die Pflicht zu nehmen und auch das Angebot an Telearbeitsplätzen auszubauen und appelliert auch an die Tarifpartner diesem Beispiel zu folgen.

domradio.de: Sie sprechen von Unternehmen, die da natürlich mit anpacken müssten. Wie ist das denn, kann die Politik so etwas einfach alleine durchsetzen und fordern?

Hagen: Die Politik appelliert erst einmal an die Tarifpartner und schaut sich das eine Weile an, wenn nichts passiert, erlässt sie entsprechende Gesetze. Diese Reihenfolge ist auch vernünftig so. Wir haben nun einmal eine Tarifautonomie, viele Unternehmen haben auch ein Interesse daran, gute Fachkräfte zu halten und die Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist den Unternehmen in den vergangenen Jahren schon deutlich bewusster geworden, aber wenn das alles nichts hilft, dann muss der Gesetzgeber entsprechende Regelungen veranlassen. Das will die neue Bundesregierung jetzt machen zum Beispiel mit dem Rückkehrrecht aus der Teilzeit- auf die Vollzeitstelle. Das ist auch eine sehr sinnvolle Maßnahme, wo sich die Tarifpartner in den vergangenen Jahren nicht darauf einigen konnten und was jetzt gesetzlich geregelt werden muss.

domradio.de: Gerade der Familienbund hat ja kritisiert, dass der Koalitionsvertrag Familien nicht ausreichend unterstützt. Konkret ging es darum, dass die vor der Wahl versprochenen Verbesserungen bei Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderzuschlag nun doch nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurden. Versöhnt Sie dieses neue Konzept oder diese erste Idee von Andrea Nahles?

Hagen: Nein, nicht wirklich. Man kann jetzt mehr Zeit für die Familie nicht mit der finanziellen Unterstützung gegeneinander ausspielen. Mehr Zeit für Familie muss man sich erst einmal leisten können, wenn man denn nun kürzer tritt und nicht genau so viel arbeitet wie vor der Familienzeit sozusagen, nein, das versöhnt uns in gar keiner Weise.

Das Interview führte Verena Tröster (domradio.de)


Claudia Hagen (Familienbund der Katholiken) (KNA)
Claudia Hagen (Familienbund der Katholiken) / ( KNA )

Familienministerin Nahles (dpa)
Familienministerin Nahles / ( dpa )