Inzest-Papier des Ethikrats stößt auf Widerspruch

Geschwisterliebe? Nein Danke!

Die Stellungnahme des Ethikrats zum Inzest-Verbot erntet bei konservativen Politikern und Kirchen heftige Kritik. Der hessische Innenminister Beuth nennt die Beschäftigung mit dem Thema "absurd". Die katholischen Bischöfe lehnen eine Gesetzesänderung ab.

Verboten: Inzest (dpa)
Verboten: Inzest / ( dpa )

Die Stellungnahme des Ethikrats zum Inzestverbot stößt auf empörten Widerspruch. Führende Unionspolitiker lehnen das Mehrheitsvotum des Gremiums ab, wonach einvernehmlicher Sex zwischen erwachsenen Geschwistern künftig nicht mehr strafbar sein soll. Auch die katholischen Bischöfe und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) widersprechen der Empfehlung. Das Tabu, das gegenüber sexuellen Kontakten zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Geschwistern gilt, könne Familienmitglieder vor einer "Rollendiffusion" bewahren, die die Kommunikation in einer Familie erheblich stören würde, sagte Vizepräsident Friedrich Hauschildt vom EKD-Kirchenamt am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Eine Änderung oder Aufhebung des entsprechenden Strafrechtsparagrafen wäre ein "irritierendes rechtspolitisches Signal und eine gesellschaftliche Tabuverletzung", erklärte die Deutsche Bischofskonferenz in Fulda. Die Bischöfe hätten die vom Deutschen Ethikrat mehrheitlich ausgesprochene Empfehlung einer Revision des Inzestverbotes mit Befremden zur Kenntnis genommen, hieß es weiter.

Die Inzest-Stellungnahme stößt auch bei den katholischen Bischöfen auf deutlichen Widerspruch. Mit Befremden und Distanzierung hätten die Bischöfe die vom Deutschen Ethikrat mehrheitlich ausgesprochene Empfehlung einer Revision des Inzestverbotes zur Kenntnis genommen, teilte die Deutsche Bischofskonferenz am Freitag in Fulda mit. Eine Änderung oder Aufhebung des entsprechenden Strafrechtsparagrafen wäre ein "irritierendes rechtspolitisches Signal und eine gesellschaftliche Tabuverletzung". Die Bischofskonferenz mit Sitz in Bonn verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht 2008 die Notwendigkeit einer Änderung der Strafbarkeit des einvernehmlichen Geschwisterinzests abgelehnt hatte.

Die rechtlichen Regelungen zum Inzestverbot seien unverzichtbar für den Schutz der Integrität der Familie sowie ein notwendiges Signal gegen missbräuchliche Marginalisierung familialer Beziehungen, argumentieren die katholischen Bischöfe. Sie appellieren an Bundesregierung und Parlament, der empfohlenen Legalisierung von Inzest nicht zu folgen.

Der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CSU, Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, will ebenfalls am Inzest-Verbot festhalten. "Individualistische und hedonistische Gesellschaftsentwürfe übersehen, dass wir auch für die vor uns und nach uns lebenden Generationen Verantwortung tragen", erklärte Schmidt am Freitag. Das bedeute, dass auch gesellschaftliche Tabus eine Berechtigung hätten, solange sie nicht Minderheiten diskriminierten.

Heftiger Widerspruch

Heftiger Widerspruch kam auch von den Innenministern aus Bayern und Hessen. Joachim Herrmann (CSU) sagte der "Bild"-Zeitung (Online-Ausgabe), der Ethikrat offenbare "ein völlig falsches Verständnis von Liberalismus". Seine Ablehnung des Mehrheitsvotums im Ethikrat begründete er mit dem Verweis auf Kinder, "die ein Recht haben in einer Familie aufzuwachsen, die frei von inzestuösen Handlungen ist".

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte der Zeitung, er sei "fassungslos" über das Votum. Es sei "absurd", dass sich der Ethikrat angesichts aktuell drängender Themen mit dem Geschwister-Inzest beschäftige. Als Beispiele nannte er unter anderem den Ukraine-Konflikt, die Ebola-Epidemie und Antisemitismus.

Der Deutsche Ethikrat hatte in einem am Mittwoch vorgestellten Positionspapier mit knapper Mehrheit empfohlen, einvernehmlichen Beischlaf unter erwachsenen Geschwistern künftig nicht mehr unter Strafe zu stellen. Anlass war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2012, der die Beschwerde eines in Deutschland wegen Inzests verurteilten Mannes gegen das Bundesverfassungsgericht zurückwies.


Quelle:
epd