Katholische Kirche lobt Staatskirchenrecht und geißelt Fundamentalismus

50 Jahre "Essener Gespräche"

Das gesunkene Vertrauen von Bürgern in Staat und Kirchen ist Thema der 50. "Essener Gespräche" des Ruhrbistums in Essen und Mülheim. In einem Grußwort lobt Kardinal Marx die "Vitalität des Miteinanders von Staat und Kirche, auch in Zeiten des Individualismus".

Essen: Debatte zum Verhältnis Staat und Kirche / © Pohl (Bistum Essen)
Essen: Debatte zum Verhältnis Staat und Kirche / © Pohl ( Bistum Essen )

Die katholische Kirche hat das Verhältnis von Staat und Kirchen gewürdigt. Es gebe eine "Vitalität des Miteinanders von Staat und Kirche, auch in Zeiten des Individualismus", schrieb der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Reinhard Marx, in einem Grußwort zum 50. Jubiläum der "Essener Gespräche" zwischen Kirche und Staat. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck kritisierte religiösen Fundamentalismus und Gewalt, die mit einer pluralistischen Gesellschaft nicht zu vereinbaren seien.

Marx hob in seinem Schreiben die "Erforderlichkeit von institutionellen Stützen im religiösen Feld" hervor. Er dankte dem Bistum Essen dafür, dass es sich seit den 60er Jahren in jährlichen wissenschaftlichen Tagungen der Aufgabe angenommen habe, "das deutsche Staatskirchenrecht als Freiheitsangebot und -chance zu fördern und zu untermauern". In diesem Gebiet gebe es eine enge ökumenische Kooperation, lobte der Kardinal. Dies sei ein Beleg für eine "gemeinsame Basis der religiösen Interessen und Standpunkte" der Konfessionen.

Die Freiheit des anderen ertragen

Overbeck sagte in einem ökumenischen Gottesdienst mit dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, wer an der Freiheit teilhabe, dem werde zugemutet, die praktizierte Freiheit des anderen zu ertragen. Gewalt sei "selbst dann illegitim, wenn eine Religion auf das Widerlichste geschmäht und mit Kübeln von Schmutz und Verachtung überschüttet wird". Islamistische Terroristen löschten mit ihren Opfern auch Sicherheit und Frieden aus und bedrohten die Rechtsordnung als ganze.

Für Christen bedeutet der Verzicht auf fundamentalistische Ansprüche nach Overbecks Worten, sich immer wieder der Moderne zu öffnen. Die Religion dürfe nicht politisiert und die Politik nicht religiös aufgeladen werden. In seiner Predigt ging Overbeck auch auf die Frage ein, wie neues Vertrauen in die Kirchen entstehen kann. Es werde bei sinkenden Mitgliederzahlen und abnehmender Relevanz nicht funktionieren, "mit Hilfe von Appellen vermeintlich gute alte Zeiten wieder herstellen zu wollen", betonte er.

Lob für Diakonie und Caritas

Neues Vertrauen in die Kirche entstehe vielmehr, wenn ihre Kompetenz von den Menschen erfahren werde, betonte der Ruhrbischof. Dies sei beispielweise bei Diakonie und Caritas der Fall. Relevanz habe die Kirche auch, wenn sie wie Papst Franziskus "von den Armen und von den Rändern der Gesellschaft spricht". Der christliche Glaube müsse "immer vom anderen her und damit in Bezug auf das gesamtgesellschaftliche Wohl denken und leben". So könne die Kirche Salz der Erde und Licht der Welt sein.

Bei den "Essener Gespräche" diskutieren seit 1966 jedes Jahr Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft über das Verhältnis von Staat und Kirche. Noch bis Dienstag finden in der katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim an der Ruhr die diesjährige Fachtagung statt, die sich mit dem gesunkenen Vertrauen von Bürgern in Staat und Kirchen befasst. Zu den Referenten gehören Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio, ZDF-Chefredakteur Peter Frey und der badische evangelische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh.


Quelle:
epd