Soziologe: Fast alles wird immer besser, aber kaum jemand merkt es

Weniger Kriege, längere Leben

Die Welt ist besser, als wir meinen – man muss sich nur die Daten anschauen. "Es ist nicht alles gut. Aber insgesamt zeigen fast alle Daten: Uns ging es noch nie so gut wie heute", sagt der Marburger Soziologe Martin Schröder.

Autor/in:
Stefanie Walter
Glücksatlas: Gute Konjunktur macht Deutsche zufrieden / © Martin Gerten (dpa)
Glücksatlas: Gute Konjunktur macht Deutsche zufrieden / © Martin Gerten ( dpa )

So schlimm ist es nicht um die Welt bestellt, wie man manchmal meinen möge, findet der Marburger Soziologe Martin Schröder in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Beispielsweise gebe es weltweit mittlerweile 80 Prozent weniger Kriegstote als noch Anfang der 1950er Jahre. Anfang der 1980er Jahre lebte jeder vierte Mensch in extremer Armut, heute nur noch einer von zehn. "Letztlich ist die Message: Guckt euch die Daten und Fakten an."

 

Er habe in seinen Seminaren an der Marburger Universität viele kritische Studenten, berichtete der Wissenschaftler. In den Diskussionen komme oft zum Ausdruck: "Die Welt wird immer schlechter." Auch er selbst habe das Gefühl gehabt, dass alles schlimmer werde. "Deshalb habe ich getan, was ich immer mache: nach den Zahlen geguckt."

Die Menschen leben quasi doppelt so lange

Dabei kam etwas heraus, was ihn überraschte: Egal ob Wohlstand, Gesundheit, Gewalt, Lebensqualität, Einwanderung, Umwelt – fast alles wird besser. 1970 seien in Deutschland jährlich fast 20.000 Menschen bei Verkehrsunfällen gestorben, 2017 nur noch 3.200. Rund 80 Prozent der Weltbevölkerung habe mittlerweile eine Schulbildung.

Die Lebenserwartung habe sich innerhalb von 200 Jahren verdoppelt, in vielen Regionen sogar verdreifacht. Lediglich beim Klimawandel, beim Artensterben und bei den Einkommenszugewinnen in entwickelten Ländern könne man keine positive Tendenz feststellen, sagte der Autor des Buches "Warum es uns noch nie so gutging und wir trotzdem ständig von Krisen reden".

Alles eine Frage der Einstellung?

Dennoch sei die Einstellung "Alles geht den Bach runter" weit verbreitet. Die Medien spielten dabei keine gute Rolle. Allerdings säßen sie in einer Falle: Sie wüssten, dass Leute die Zeitung kaufen, wenn darin über einen Mord berichtet wird. Dadurch erlangten gerade in einer Welt, in der vieles besser wird, Ausnahmen von positiven Trends mehr Nachrichtenwert. "Die Lösung ist, über den Einzelfall hinaus auch die dahinterstehenden Trends zu beschreiben", zum Beispiel: dass 2017 in Deutschland nur ein Mord pro 140.000 Einwohner geschah. "Dafür reicht ein Satz."

Allerdings sei die Welt nicht automatisch besser geworden, wie Schröder betonte. "Sondern Menschen haben dafür gesorgt, dass das passierte." Der offene Diskurs, der Widerstreit der Meinungen darüber, wer Recht hat und wie wir dahin kommen. "Das ist wichtig, um die Welt zu verbessern", sagte er.


Quelle:
epd