Theologin Käßmann schreibt Buch über Farben und Hoffnung

"Gegen die Angst und den grauen Schleier"

Angesichts der vielen Krisen und schlechter Nachrichten in den Medien fehlt es oft an Zuversicht. Mit einem liebevollen Umgang kann die Gesellschaft das ändern, meint Margot Käßmann. Welche Rolle können Farben dabei spielen?

Autor/in:
Hilde Regeniter
Regenbogen in der Natur / © VarnaK (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sie haben in Ihrem neuen Buch "Die Farben der Hoffnung" sozusagen Ihre eigene Farbenlehre aufgestellt. Was haben Farben mit Hoffnung zu tun? 

Margot Käßmann / © Meiko Herrmann (KNA)
Margot Käßmann / © Meiko Herrmann ( KNA )

Margot Käßmann (Evangelische Theologin): Ich erinnere mich dabei immer an diese Geschichte von Leo Lionni mit der Maus Frederick. Die ganzen Feldmäuse sammeln für den Winter Nüsse und anderes mehr und er sitzt nur da. Als der Winter kommt und es immer grauer und trister wird, kann er von den Farben der Sonne und der roten Mohnblume erzählen. Da keimt Hoffnung in den Mäusen, dass es doch wieder Frühling wird.

Das ist jetzt nicht gerade theologisch, aber die Farben setze ich schon gegen diese Angst und diesen grauen Schleier, der im Moment über allem liegt. 

DOMRADIO.DE: Grün ist die Farbe der Hoffnung, das sagen wir immer so. Welche Hoffnung macht Ihnen das Grün? 

Käßmann: Grün ist auf jeden Fall in der Natur so ein Hoffnungszeichen. Wenn wir im Frühling sehen, dass aus scheinbar trockenen Ästen wieder frisches Leben sprießt - das ist für mich die Hoffnung auf Zukunft. Es gibt Veränderung und ich finde, dass wir das nicht aufgeben dürfen, dass es wieder anders werden kann.

Ich habe im Buch immer biblische Geschichten dazu gesetzt. Da habe ich zum Beispiel Hagar genommen, die nicht mehr kann, die keine Lebenskraft mehr hat und glaubt, dass ihr Sohn stirbt. Aber dann gibt es doch einen Neuanfang und ein neues Leben für sie. 

Margot Käßmann

"Ich finde, dass sich die Gesellschaft verändert, wenn wir liebevoll aufeinander achten."

DOMRADIO.DE: Im Zusammenspiel mit Bildern des Malers Eberhard Münch haben Sie insgesamt zwölf Farben herausgegriffen und auf das jeweilige Hoffnungspotential geschaut. Was ist denn mit Rot, der Farbe der Liebe? 

Käßmann: Rot ist auf jeden Fall die Farbe der Liebe und zudem meine Lieblingsfarbe. Das eine ist natürlich diese erotische Liebe, eros auf Griechisch. Aber im Griechischen gibt es noch andere Begriffe für Liebe, beispielsweise filia, die freundschaftliche Liebe und agapi, die Nächstenliebe, die soziale Liebe. Ich finde, dass wir davon in unserer Gesellschaft auf jeden Fall mehr brauchen und die Gesellschaft sich auch verändert, wenn wir liebevoll aufeinander achten. Ganz oft wird das übrigens auch getan, aber davon hören wir in den Nachrichten sehr wenig. 

Käßmanns Buch heißt "Die Farben der Hoffnung" / ©  Zou Zheng (dpa)
Käßmanns Buch heißt "Die Farben der Hoffnung" / © Zou Zheng ( dpa )

DOMRADIO.DE: "Ich sehe schwarz", heißt es im Sprichwort. Tatsächlich wird bei Ihnen aber auch Schwarz zur Hoffnungsfarbe, und zwar ausgerechnet zur Hoffnung auf Trost. Das müssen Sie erklären. 

Käßmann: Ja, das kommt einem wahrscheinlich merkwürdig vor. Aber ich hänge das in dem Buch an meinem Talar auf. Mein erster Talar - den musste man damals kaufen - hat 800 D-Mark gekostet, dafür haben wir einen Kredit aufgenommen. Und mit so einem Talar begleitest du Menschen in schönen Zeiten, aber du tröstet auch.

Ich finde, wir sollten bei schwarz nicht so negativ sein. Jede Frau hat ein "kleines Schwarzes" für festliche Angelegenheiten im Schrank. Ich denke ganz oft bei Trauerfeiern und bei Verlusten: Wenn du in der Verkündigung als Pastorin Worte findest, die Menschen erreichen, dann kannst du sehr trostvoll sein. Und Trost hat ja auch was mit Treue zu tun, mit der Treue zu den Menschen. 

DOMRADIO.DE: Oft hören wir so Sprüche wie "Jetzt denkt doch mal positiv, sei schon optimistisch." Das ist nicht das, was Sie mit Hoffnung meinen, oder?

Käßmann: Nein, das wäre mir viel zu lapidar. Das Motto "Alles wird gut" ist so ein flacher Optimismus. Hoffnung geht für mich viel tiefer. Das bedeutet, es gibt im Leben schwierige Zeiten, jetzt gerade im internationalen Bereich, aber auch in unserem Land und in vielen ganz persönlichen Schicksalen. Hoffnung heißt, da ist der Mut, das Vertrauen, dass es anders werden kann.

Als Christin würde ich auch sagen, dass Gott dir die Kraft schenkt, durch dieses Tal durchzugehen. Es gibt wahrscheinlich kein Leben ohne so ein Tal. Aber Hoffnung heißt, dass da wieder ein Neuanfang möglich ist. Veränderung ist denkbar. 

Margot Käßmann

"Sprecht miteinander, verstummt nicht, tauscht euch aus, geht zusammen essen, kocht was miteinander, bespricht, was euch bedrückt."

DOMRADIO.DE: Sie beschließen Ihr Buch mit dem Regenbogen. Wofür steht der?

Käßmann: Er steht in der Bibel für den Neuanfang nach der Sintflut. Alles ist zerstört. Nur die Familie Noah ist noch da. Und die fängt wieder an, einen Weinberg zu bauen, das Land zu beackern, Zukunft zu säen. Der Regenbogen steht dann am Himmel und Gott sagt: Ich werde die Erde nicht wieder zerstören. Diesen Bund schließe ich mit den Menschen.

Die Hoffnung ist, dass die Menschen ihren Teil dieses Bundes auch einlösen, dass der Regenbogen an der anderen Seite geerdet ist und wir darauf achten, dass die Erde nicht zerstört wird. 

DOMRADIO.DE: Haben Sie einen Rat, was wir vielleicht tun und denken können, wenn uns ganz akut so ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit überfällt? 

Käßmann: Bleibt nicht allein. Das meinte ich mit der freundschaftlichen Liebe. Sprecht miteinander, verstummt nicht, tauscht euch aus, geht zusammen essen, kocht was miteinander, bespricht, was euch bedrückt. Und vielleicht lest ihr ein paar Hoffnungsgeschichten der Bibel. Es gibt eine Wüstenwanderung, aber danach gibt es auch wieder Zukunft im persönlichen Leben. Ich denke, auch unsere Gesellschaft kann am Ende, wenn wir alle uns anstrengen, in Gerechtigkeit und Frieden zusammenleben. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR