Stichwort: Canossa

Drei Tage Abbitte

Beim oberitalienischen Canossa befindet sich eine um 940 errichtete Festung, die durch den Bußgang des deutschen Königs Heinrich IV. zu Papst Gregor VII. im Jahr 1077 große historische Bedeutung erlangte. Die Begegnung zwischen König und Papst wird als Wendepunkt in der Geschichte des Mittelalters interpretiert.Der Ausgang des Konflikts über den Vorrang von Papst oder weltlichem Herrscher im so genannten Investiturstreit sorgte langfristig dafür, dass weltliche und geistliche Macht im westlichen Europa voneinander getrennt wurden.Konkret ging es um die Frage, ob der Papst oder der weltliche Herrscher die Bischöfe und Äbte im Reich ernennen durfte.

 (DR)

Beim oberitalienischen Canossa befindet sich eine um 940 errichtete Festung, die durch den Bußgang des deutschen Königs Heinrich IV. zu Papst Gregor VII. im Jahr 1077 große historische Bedeutung erlangte. Die Begegnung zwischen König und Papst wird als Wendepunkt in der Geschichte des Mittelalters interpretiert.
Der Ausgang des Konflikts über den Vorrang von Papst oder weltlichem Herrscher im so genannten Investiturstreit sorgte langfristig dafür, dass weltliche und geistliche Macht im westlichen Europa voneinander getrennt wurden.

Konkret ging es um die Frage, ob der Papst oder der weltliche Herrscher die Bischöfe und Äbte im Reich ernennen durfte. Als Papst Gregor VII. die weithin übliche Besetzung kirchlicher Ämter durch Laien unterbinden wollte, erklärte Heinrich IV. den Papst für abgesetzt; dieser wiederum belegte den König mit dem Kirchenbann und entband die Fürsten vom Treueid. Im Winter 1076/77 überquerte Heinrich IV. daraufhin die Alpen, um sich vom Kirchenbann lösen zu lassen. Im Büßergewand und barfuß musste der 21-jährige König Ende Januar im Schnee drei Tage vor der Burg Canossa warten, bis der Papst ihn einließ und ihn freisprach.

Heinrich erlangte durch die Aufhebung des Banns seine Handlungsfreiheit zurück und konnte später den Papst zur Flucht aus Rom zwingen. Allerdings hatte Canossa langfristig negative Folgen für das Ansehen des Königtums, denn der öffentlichkeitswirksame Bußgang festigte den päpstlichen Anspruch auf das Richteramt über Fürsten, nahm dem Königtum den Nimbus und verschob das Machtgefüge im Reich weiter zu Gunsten der Fürsten. Mittelalter-Experten wie der Düsseldorfer Historiker Johannes Laudage verweisen darauf, dass dieser Bußgang aus mittelalterlicher Sicht weit weniger spektakulär war, als er heute erscheint. Er stellte nur eine formale kirchliche Bußhandlung dar, die vorher genau ausgehandelt wurde und streng formalisiert war.

Dennoch ist der "Gang nach Canossa" in Deutschland gerade im 19. Jahrhundert als Schande gedeutet worden. Als sich 1872 der Konflikt zwischen Bismarck und der katholischen Kirche sowie der Zentrumspartei zuspitzte, griff der Reichskanzler den Papst im Reichstag mit den Worten an: "Seien Sie außer Sorge: Nach Canossa gehen wir nicht - weder körperlich noch geistig!" Auch heute noch steht die Redewendung vom "Gang nach Canossa" im übertragenden Sinne für eine demütigende Unterwerfung.
(KNA)