US-Republikaner fangen Evangelikale ein

Wende im Wahlkampf?

Man kann kaum mehr glauben, dass US-Präsidentschaftsanwärter John McCain noch vor wenigen Wochen mit Argwohn betrachtet wurde von den christlichen Rechten, den Stammwählern der Republikanischen Partei. Bei dem am Donnerstag zu Ende gegangenen Parteitag sind die Konservativen fahnenschwenkend auf den McCain-Express aufgesprungen. Man habe eine "komplette Kehrtwende der Sozialkonservativen" erlebt, sagte Tony Perkins, Präsident des konservativen Familienforschungsrates

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Am Mittwochabend sprach in St. Paul im Bundesstaat Minneapolis der heimliche Star des Parteitages, die Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin (44), konservative Gouverneurin von Alaska, Mutter von fünf Kindern, engagierte Abtreibungsgegnerin und evangelikales Kirchenmitglied. Palin sei eine «mutige Fürsprecherin für ungeborene Kinder», lobte Roberta Combs, Präsidentin der Christlichen Koalition.

Im Drama des US-Wahlkampfs spielte Palins 17-jährige Tochter Bristol für einige Tage unfreiwillig die Rolle der verlorenen und von ihren Eltern wieder aufgenommenen Tochter. Wie inzwischen weltweit bekannt, ist die unverheiratete Teenagerin schwanger. Mit scharfem Ton nahmen führende konservative Vertreter Mutter und Tochter vor angeblichen Attacken der «liberalen Medien» in Schutz. Die Palins hießen das ungeborene Baby willkommen und seien «ein wunderbares Beispiel für andere Familien», lobte Wendy Wright vom Verband «Concerned Women for America».

Unter dem besonderen öffentlichen Druck attackierte die Gouverneurin in ihrer Parteitagsrede den Demokraten Barack Obama und stellte sich als Politikerin vor, die Amerika dienen wolle. Sie vertrete die Werte der einfachen und hart arbeitenden Menschen im Amerika, der Dörfer und Kleinstädte. «Sarah Palin ist der nächste Ronald Reagan,» sagte der konservative Stratege Richard Viguerie.

Palin war nicht der einzige Grund für christlichen Enthusiasmus. Die Republikaner sprachen sich in ihrem in St. Paul beschlossenen Programm für ein umfassendes Verbot der Homoehe und eindeutig gegen Schwangerschaftsabbruch aus. McCain hat das Programm gebilligt, obwohl er zuvor in der Abtreibungsfrage eine weniger rigide Auffassung vertrat und Ausnahmen befürwortete - nach einer Vergewaltigung oder wenn die Schwangerschaft das Leben der Mutter gefährdet.

Seit 1980 ist ohne die Unterstützung konservativer Christen kein Republikaner Präsident geworden. Weiße Evangelikale stellen etwa ein Viertel der US-Bevölkerung. 2004 stimmten davon 78 Prozent für George W. Bush. Bei den Vorwahlen war McCain keineswegs der rechtschristliche Wunschkandidat gewesen, hatte er sich doch gegen den Verfassungszusatz gegen Homoehe ausgesprochen und für ein Wahlfinanzierungsgesetz, das nach Ansicht von Kritikern religiöse Verbände behindert.

Gepunktet hat McCain erstmals Mitte August beim Gespräch mit Baptistenpastor Rick Warren in der Saddleback-Kirche im kalifornischen Forest Lake. Sein Glaube an Jesus Christus bedeute für ihn, dass er «gerettet» sei, sagte McCain. Das kam an, besonders freut man sich in der evangelikalen Welt über Bekehrte.

Liberale Kritiker von Gouverneurin Palin indes spekulieren, diese könnte Schwierigkeiten bekommen, wenn Details über ihren konservativen christlichen Glauben bekanntwerden, so wie Barack Obama Probleme bekommen habe mit seinem radikalen Pastor Jeremiah Wright. Nach Presseberichten besuchen Sarah Palin und ihre Familie die evangelikale «Wasilla Bible»-Kirche und die «Church on the Rock» in Wasilla (Alaska). In beiden Gemeinde glaubt man an die Unfehlbarkeit der Bibel, und dass Himmel und Hölle wirkliche Orte sind.