TV-Duell der US-Vize-Kandidaten

Punktsieg, aber kein k.o.

Die Anhänger von Barack Obama hatten sich seit Tagen auf diesen Abend gefreut. Bei der Debatte der US-Vizepräsidentschafts-Kandidaten hatten sie mit k.o.-Sieg ihres Kandidaten Joe Biden gerechnet. Doch Sarah Palin schlug sich respektabel und konnte sogar einige Punkte sammeln.

Autor/in:
Heiko Thompson
 (DR)

Die Anhänger von Barack Obama hatten sich seit Tagen auf diesen Abend gefreut. Es war allerdings nicht so sehr der Auftritt ihres Parteigenossen Joe Biden bei der Debatte der US-Vizepräsidentschafts-Kandidaten am Donnerstag, der die Demokraten in Erregung versetzte. Es war vielmehr die Aussicht darauf, dass Bidens republikanisches Gegenüber Sarah Palin bei der einzigen Vize-Debatte dieses Wahlkampfs ihrem Partner John McCain irreparablen Schaden zufügen könnte.  "Ich wünsche mir ein Blutbad heute", frohlockte Neal Rogers, ein junger Journalist aus New York.

Rogers' Wunsch ging nicht in Erfüllung. Sarah Palin schlug sich anständig in der Aula der Washington University von St. Louis. Sie demonstrierte "Selbstbewusstsein und Kohärenz", wie die "New York Times" anschließend notierte. Zwar glaubte in Blitzumfragen des Fernsehsenders CNN das Publikum zu 51 Prozent, dass Joe Biden die Debatte gewonnen hatte, während nur 38 Prozent Palin als die stärkere Debattiererin gesehen hatten. Der Abend hatte jedoch auch nicht den Wahlkampf wie vielleicht erhofft entschieden: "Ein paar Haken, aber kein KO", befand das CNN-Internetportal.

Palin hatte zuletzt verwirrt und inkompetent gewirkt
Es hatte durchaus Gründe gegeben, ein KO für McCain, der im Durchschnitt der Umfragen gegenüber Obama nun schon seit Wochen mit fünf bis sechs Prozent zurückliegt, zu erwarten. Vor allem waren da die peinlichen Auftritte Palins in zwei Fernsehinterviews in der vergangenen Woche. Palin hatte dort verwirrt und inkompetent gewirkt, man hatte bisweilen den Eindruck, als verstehe sie die Fragen nicht so recht. Die Auftritte verschafften ihr Häme - die beliebte Comedy Show Saturday Night Live parodierte sie gleich zweimal. Und es wurde sogar in ihrer eigenen Partei diskutiert, ob sie als Kandidatin noch tragbar sei.

Um in St. Louis ein erneutes Debakel zu vermeiden, war Palin tagelang in Klausur gegangen und hatte sich von einem ganzen Beraterteam vorbereiten lassen. Mit Erfolg - sie schaffte es, bei den meisten der angesprochenen Themen vergleichsweise differenziert eine Position zu formulieren. Überraschendes war freilich nicht dabei, sie gab lediglich linientreu die Programme von John McCain wider und blieb dabei ausgesprochen vage.

Beim Thema Wirtschaft kritisierte Palin die Steuerpolitik von Biden und Obama, die inmitten einer Krise die amerikanische Mittelschicht unnötig belaste. Die Gesundheitsreform von Obama, der eine gesetzliche Krankenversicherung einführen möchte, schiebe den Staat zwischen den Bürger und seinen Arzt. Zur Finanzkrise meinte Palin nur, dass man sich draußen im Land Sorgen mache und dass eine Reform dringend nötig sei. Beim Thema Irak plädierte Palin wie McCain für eine Truppenverstärkung und bezeichnete die Rückzugspläne Obamas als "Kapitulation". Bidens Argument, man müsse sich auf Afghanistan konzentrieren, wenn man den Terror bekämpfen wolle, konterte sie mit der Behauptung, Amerika könne beide Kriege zugleich gewinnen.

Verlegenheit beim Thema Israel-Politik
Bis hierhin wirkte Palin, anders als in den vorangegangenen Interviews, sehr klar. Als sie sich zur Israel-Politik der vergangenen acht Jahre äußern sollte, geriet sie dann jedoch wieder sichtlich in Verlegenheit. Man müsse nach vorne schauen und nicht immer nur zurück, antwortete sie ausweichend, nur um dann in eine Tirade zu verfallen, dass sie sich weigere, so zu antworten, wie Biden und die Moderatorin Gwen Ifill ihr das vorzuschreiben versuchten.

Der scheinbar unvermittelte Ausbruch war offenbar Teil einer vorbereiteten Kommunikationsstrategie. Palins Peinlichkeiten bei den Fernsehinterviews der vergangenen Woche sollten im Nachhinein als Resultat der Boshaftigkeit der linksliberalen Medien gezeichnet werden. So ließen Palin und McCain unmittelbar nach der Debatte unisono per Pressemitteilung verlauten, dass Palin nun endlich die Gelegenheit bekommen habe, "ohne den Filter der voreingenommenen Medien direkt mit dem amerikanischen Volk zu sprechen." Palin hatte sich vermeintlich von den Interviewern verbiegen lassen. Bei der Debatte habe sie sich jedoch gewehrt und sei sich selbst treu gewesen.

Die Kommentatoren bezweifeln aber, dass ihr das viel genutzt hat. Biden wirkte am Donnerstag durchweg souveräner und kompetenter. "Ich habe noch immer nicht den Eindruck, dass diese Frau qualifiziert ist, Amerika zu führen", sagte etwa Reporterlegende Carl Bernstein. Und Cokie Roberts vom Fernsehsender ABC meinte: "Es ist ganz egal, was sie jetzt sagt oder macht. Nach den vergangenen Wochen kann man Palin einfach nicht mehr ernstnehmen."