Oberbürgermeister plädiert für Verbleib der Ministerien am Rhein

"Stärkung von Bonn war gut für die Bundesrepublik Deutschland"

20 Jahre nach dem Berlin-Bonn-Beschluss des Deutschen Bundestages hat Bonn für Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) den Strukturwandel gut gemeistert. "Die Stärkung der Bundesstadt Bonn war gut für die Bundesrepublik Deutschland und folglich auch gut für die Menschen in unserer Region", sagt Nimptsch im Interview.

 (DR)

dapd: 20 Jahre nach dem Berlin-Bonn-Beschluss - Wie steht Bonn Ihrer Einschätzung nach heute da?

Nimptsch: Unser Parlament hat 1991 entschieden, die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland von zwei politischen Zentren aus zu gestalten und eine dauerhafte Arbeitsteilung zwischen der Bundeshauptstadt und der Bundesstadt zu sichern. Die Stadt Bonn hat die damalige Entscheidung insgesamt gelassen angenommen. Die durch das Berlin-Bonn-Gesetz geregelte Rolle als Bundesstadt hat zu einem Strukturwandel der Region geführt. Seine Kennzeichen sind die miteinander verzahnten Standortfaktoren Wissenschaft, Wirtschaft, Internationales, Kultur und unsere Rolle als Bundesstadt.



dapd: Hat Bonn vom Verlust des Hauptstadt-Sitzes womöglich sogar profitiert?

Nimptsch: Bonn hat sich auch seit 1991 positiv entwickelt. Wir sind jetzt die Deutsche Stadt der Vereinten Nationen, konnten uns im Bereich "Wissenschaft" stark entwickeln und belegen Platz 3 in der "Börsenliga". Im übrigen lässt sich der Prozess nicht als schlichte "Kosten-Nutzen-Rechnung" vor dem Hintergrund eines starren Gesetzes darstellen; es hat in den zwei Jahrzehnten auch immer Verschiebungen ergeben haben, die Anpassungen an die damals getroffenen Regelungen erforderten.



dapd: Wo sehen Sie im Rückblick die Stärken und die Schwächen der damaligen Regelung?

Nimptsch: Es war eine kluge Regelung, Entscheidungsebenen für die Republik dezentral anzusiedeln. Die Schwächen dieser Regelung liegen außerhalb des Gesetzestextes, wenn Menschen das Wohl Berlins und Brandenburgs vor das Wohl der Republik stellen.



dapd: Immer wieder kommt die Forderung nach einem Komplett-Umzug der letzten Bonner Ministerien nach Berlin. Was käme für Bonn nach einem eventuellen Umzug?

Nimptsch: Aus Bonner Sicht wird die Frage nach Verwaltungsreformen auf Bundesebene nicht als "Gefahr" wahrgenommen. Unsere Frage ist allenfalls die von guten Staatsbürgern: Wäre das gut für unser Land? Wenn diese Frage mit "Ja" beantwortet werden sollte, dann kommt es eben zu Veränderungen. Vor dem Hintergrund des Bonn-Berlin-Gesetzes ist dann zu überlegen, wie man der Republik und natürlich auch den beiden Städten für die nächsten Dekaden Planungssicherheit gibt.



dapd: Wie könnte das aussehen?

Nimptsch: Es ist zu fragen, welche Administrationseinheiten des Bundes in den nächsten 20 bis 30 Jahren dort sein sollten, wo man bestimmte Aufgaben erledigt haben möchte. Verwaltungseinheiten, die sich mit einer auf Umwelt, Gesundheit, Bildung und Ernährung orientierten Entwicklungspolitik beschäftigen, sollten sicher eher am Standort der Vereinten Nationen sein als in Berlin. Auch Verwaltungseinheiten, die sich mit der gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik beschäftigen, sollten folglich eher in Bonn mit seiner Nähe zu Brüssel angesiedelt sein.



dapd: Ein erheblicher Teil der Ausgleichsmittel floss in die Kultur. Inzwischen muss die Stadt Bonn diesen Bereich aus eigenen Mitteln stemmen. Was für Möglichkeiten sehen Sie, trotz leerer Kassen die Attraktivität der Kulturstadt Bonn zu bewahren?

Nimptsch: Man kann nicht die gleiche Attraktivität bieten, wenn man nur noch zwei Drittel der Summe zur Verfügung hat. Man muss allerdings auch zugeben, dass sich damals das Füllhorn des Bundes zu sehr an den Wünschen von Kulturschaffenden als an tatsächlichen Bedürfnissen der Gesamtbevölkerung orientiert hat. Bonn wird seine kulturelle Attraktivität nur halten können, wenn mehr regionale Zusammenarbeit stattfindet und private Mittel eingeworben werden; das gilt ganz besonders für die nationale Aufgabe der Pflege des Beethoven-Erbes.