Vatikan eröffnet Prozess gegen untreuen Kammerdiener

Ein "zweiter Mann" und viele offene Fragen

Lange wurde spekuliert, nun gibt der Vatikan bekannt: Der Hauptverdächtige in der "Vatileaks"-Affäre kommt vor Gericht, außerdem wird ein weiterer Vatikan-Mitarbeiter angeklagt. Es geht nicht mehr nur um den Diebstahl vertraulicher Dokumente.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele muss sich demnächst wegen schweren Diebstahls vor Gericht verantworten. Zum Abschluss der zehnwöchigen Ermittlungen entschied Richter Piero Antonio Bonnet am Montag, dass gegen den untreuen Butler offiziell ein Prozess eröffnet wird. Unterdessen gehen die Untersuchungen über die Hintergründe von "Vatileaks" und mögliche Komplizen weiter, wie Vatikansprecher Federico Lombardi mitteilte. Bei einer Pressekonferenz veröffentlichte er Bonnets Erlass sowie das Plädoyer des vatikanischen Staatsanwalts Nicola Picardi.



Das vorgelegte Ermittlungsergebnis schafft viel Klarheit, bringt neue Erkenntnisse - lässt aber auch nicht wenige Fragen offen. Es bestätigt, dass die vatikanische Gendarmerie am 23. Mai in Gabrieles Wohnung vertrauliche Dokumente des Papstes fand, die zum beachtlichen Teil in das Buch "Sua Santita" des Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi eingingen. Daneben habe der Kammerdiener aber auch einen Scheck für den Papst über 100.000 Euro mitgehen lassen. Zudem entwendete er aus der Papstwohnung einen Goldklumpen sowie eine Ausgabe von Vergils "Aeneis" aus dem Jahr 1581. Mit letzterem wollte er wohl einem bekannten Historiker imponieren.



Als Überraschung präsentierte Lombardi am Montag einen "zweiten Mann": Claudio Sciarpelletti, ein Laien-Angestellter und Informatiker des vatikanischen Staatssekretariats. In dessen Schreibtisch habe man Papstdokumente in einem Umschlag mit Gabrieles Namen gefunden. Auch gegen den Informatiker wird ein Prozess eröffnet - wegen Behinderung der Ermittlungen. Er sei jedoch kein Komplize, betonte Lombardi. Sciarpelletti war nur eine Nacht in Haft und wurde am nächsten Morgen in "provisorische Freiheit" ohne weitere Auflagen entlassen. Dagegen steht Gabriele nach 60 Tagen in Haft seit 21. Juli unter strengem vatikanischem Hausarrest.



Weiter bestätigen die Justizdokumente, dass sich Gabriele in seiner Haftzeit psychiatrischen Untersuchungen unterzogen habe. Es sei unerklärlich, wie ein nach außen "korrekter und normaler" Mensch eine solche kriminelle Tat begehen konnte. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Lombardi betonte lediglich, Gabriele sei "schuldfähig".



Die veröffentlichten Vatikandokumente berichten über die Befragung von Zeugen, nennen jedoch keine Klarnamen, sondern nur Buchstaben. Gehört wurde unter anderem der geistliche Begleiter Gabrieles. Diesem Pater "B" hat Gabriele nach eigenen Angaben Fotokopien fast aller Dokumente übergeben, die er an Nuzzi weitergereicht habe. Zeuge "B" bestätigte, vom Butler einen Karton (mit päpstlichem Wappen) und angeblich wichtigen Dokumenten erhalten zu haben. Er habe den Inhalt jedoch nicht gekannt und alles nach einigen Tagen verbrannt, weil ich "wusste, dass sie Ergebnis einer illegalen und unehrenhaften Aktivität waren".



Die Untersuchungsergebnisse legen den Schluss nahe, dass Gabriele nicht allein tätig war; dass er zumindest Mitwisser, möglicherweise aber auch Mittäter im Vatikan hatte. Die Untersuchungen würden nun Schritt für Schritt fortgesetzt, betonte Lombardi vor den Journalisten. Inwieweit dabei Rechtshilfeersuchen auch an fremde Instanzen, etwa an Italien gerichtet würden, ließ er offen.



In den nächsten Tagen dürfte erst einmal wenig passieren; denn ab "Ferragosto", dem 15. August, geht auch das vatikanische Gericht in die Ferien. Der Prozess wird erst nach dem 20. September eröffnet. Vielleicht aber tauchen bis dahin schon weitere Erkenntnisse zu "Vatileaks", dem untreuen Butler und zu ungeklärten Hintergründen auf.