"Meine Geschichte ist nicht eine Geschichte des Sterbens, sondern des Lebens, die mir auch durch Organspende geschenkt wurde." Franziska Liebhardt ist nicht nur eine Vorzeige-Athletin, die bei den Paralympischen Spielen von Rio de Janeiro 2016 eine Gold- und eine Silbermedaille gewann. Die 35-Jährige ist auch ein Aushängeschild für die Organspende in Deutschland.
Eine schwere Autoimmun-Krankheit zerstört ihren Körper. 2005 macht sich die Krankheit erstmals bemerkbar. Atemnot, Hautveränderungen, das Immunsystem greift auch gesunde Zellen im Körper an. 2009, nach bangem Warten, wird ihr schließlich eine Lunge transplantiert, 2011 ist dann auch eine neue Niere nötig. Nur fünf Jahre später holt die Würzburgerin in Rio Gold im Kugelstoßen und Silber im Weitsprung. Sie selbst sagt, sie lebe ein Leben "gegen viele Wahrscheinlichkeiten".
Geringe Spendenbereitschaft
In der Debatte um Organspende meldet sich die Sportlerin immer wieder zu Wort: "Deutlich über 90 Prozent der Deutschen würden gerne ein Organ annehmen, wenn sie oder eines ihrer Familienmitglieder dies benötigten", sagt sie. "Aber nur rund 30 Prozent haben einen Organspendeausweis."
Damit sich das ändert, findet am heutigen Samstag bundesweit der "Tag der Organspende" statt. Eröffnet wird die Aktion in Erfurt, wo auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) für eine höhere Spendenbereitschaft wirbt. "Es gibt Krankheiten, die nur durch eine Organspende überwunden werden können", schreibt er. "Ich habe eine solche Situation im persönlichen Umfeld erlebt und meine Erfahrung ist: Es kann wirklich jeden treffen."
"Verheerende Zahlen"
Zugleich ist die Zahl der Organspenden in Deutschland auf Talfahrt. Trotz aller Aufklärungs- und Werbekampagnen erreichte die Statistik 2016 einen neuen Tiefstwert. Im vergangenen Jahr spendeten 857 Verstorbene ihre Organe, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mitteilt. 2010 waren es noch 1.296. Die Anzahl der nach dem Tod gespendeten Organe lag bei 2.867. Auf eine Million Einwohner gab es 10,4 Spender, was ebenfalls ein Tiefstwert ist.
Für die DSO, die bundesweit für die Organisation der Organspende zuständig ist, sind das verheerende Zahlen. Zumal die Verantwortlichen mit einer Trendwende gerechnet hatten. "Insgesamt ist Deutschland bezüglich des Transplantationswesens auf einem guten Weg", hatten DSO-Vorstand Axel Rahmel und der Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft, Bernhard Banas, noch im November erklärt und dabei auf einen großen Strauß von Reformen verwiesen.
Vertrauensverlust durch Skandale
Laut Umfragen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stehen 81 Prozent der Bundesbürger der Organspende positiv gegenüber. Die Zahl der Menschen, die eine Entscheidung dokumentiert haben, ist sogar von 22 Prozent 2012 auf mittlerweile 32 Prozent gestiegen.
Weithin wird für die beständig zurückgehenden Zahlen ein Vertrauensverlust verantwortlich gemacht, der durch Skandale an Transplantationszentren entstanden ist und 2012 bekannt wurde. Doch Rahmel verweist darauf, dass der Rückgang schon vor dem Skandal einsetzte. Verantwortlich dafür seien auch "erhebliche Struktur-, Qualifikations- und Qualitätssicherungsdefizite", argumentiert er.
Krankenhäuser in der Pflicht
Als Nadelöhr sieht die DSO vor allem die Krankenhäuser. "Wenn dort nicht an die Organspende gedacht wird, dann passiert auch nichts", sagt Rahmel. So gebe es zwar mittlerweile mehr als 1.600 Transplantationsbeauftragte in den 1.300 potenziellen Entnahmekliniken. Sie seien aber teilweise für diese Aufgaben nicht freigestellt und müssten ihre Fortbildungen selbst bezahlen.
Außerdem offenbarten Umfragen unter Medizinern und Pflegepersonal "ein erhebliches Informationsdefizit", gepaart mit einer relativ hohen Ablehnung der Transplantationsmedizin. Darüber hinaus führe der hohe wirtschaftliche und personelle Druck dazu, dass die Kliniken das schwierige Thema vernachlässigten. Das soll sich ändern: Die Deutsche Transplantationsgesellschaft hat eine Zusatzweiterbildung für "Transplantationsmediziner" entwickelt; ein eigenes Berufsbild soll entstehen. Auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sieht die Kliniken hier in der Pflicht.