Wie die Präsidentschaftswahl im Kongo zu bewerten ist

Der erste Blick täuscht

Steht die Demokratische Republik Kongo tatsächlich vor einem historischen Regierungswechsel? Der gewählte Kandidat Felix Tshisekedi ist nominell Oppositionskandidat – und doch bricht nicht nur Jubel über das Wahlergebnis aus.

Historische Wahlen im Kongo? / © Jerome Delay (dpa)
Historische Wahlen im Kongo? / © Jerome Delay ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie das Wahlergebnis im Kongo?

Volker Greulich (Afrika-Referent bei Kolping International): Ich bin mir ehrlich gesagt noch gar nicht so ganz sicher. Auf den ersten Blick sieht das ja wunderbar aus. Ein langjähriger Präsident, der keinen besonders guten Ruf hat, ein relativ korruptes Regime, unter dem es in den vergangenen Jahren Menschenrechtsverletzungen gegeben hat, ist abgewählt und ein Oppositionskandidat ist gewählt worden.

Das Problem ist, dass im Kongo auf den zweiten Blick die Sachen anders aussehen als es vielleicht auf den ersten Blick scheint. So hat bereits der zweite Oppositionskandidat, Martin Fayulu, den Vorwurf von Wahlbetrug geäußert. Ich habe heute bei BBC World Service gesehen, dass wohl auch Frankreich und Belgien durchaus Probleme mit der Einschätzung haben. Es gibt von Martin Fayulu den Vorwurf, dass es Absprachen zwischen Joseph Kabila, dem abtretenden Präsidenten, der nicht zur Wiederwahl anstand, und Felix Tshisekedi gab, der nominell Oppositionskandidat war.

DOMRADIO.DE: Ist das dann noch nicht das offizielle Wahlergebnis?

Greulich: Die kongolesische Wahlkommission hat das Ergebnis verkündet. Die Frage ist jetzt, wie es weitergeht. Der Zweitplatzierte, Martin Fayulu, hat schon ganz klar gesagt, dass er das Ergebnis nicht anerkennt. Das bedeutet dann wahrscheinlich auch Demonstrationen seiner Anhänger. Es kommt jetzt auch darauf an, wie sich die internationale Gemeinschaft dazu stellt.

Ich denke, im Endeffekt wird Felix Tshisekedi Präsident werden. Die Frage ist, was er dann bewirken kann. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass der Kongo ein Land mit extrem schwachen Institutionen ist. Wenn wir über das Parlament, über Wahlen, über die Armee oder über die Polizei reden, dann haben wir bestimmte Vorstellungen. Das kann man dort weitgehend vergessen. Man kann davon ausgehen, dass die Sicherheitskräfte im Kongo zunächst einmal persönlich loyal zu Joseph Kabila sind - das ist hier jedenfalls die Generalität. Die werden natürlich nicht, einfach nur weil der Präsident anders heißt, jetzt auf einmal alles anders machen als vorher. Das heißt, Felix Tshisekedi wird darauf angewiesen sein, mit seinem Vorgänger einen Deal zu machen, wie der Übergang stattfindet, damit er einigermaßen vernünftig regieren kann.

DOMRADIO.DE: Aus welcher Richtung kommt denn Felix Tshisekedi? Was weiß man über diesen neuen Präsidenten?

Greulich: Er ist der Sohn eines sehr bekannten Oppositionspolitikers. Die Frage ist, ob es jetzt wirklich Sinn macht, da Etiketten dran zu kleben. Man könnte sagen, er kommt aus der katholischen Richtung, aus der Zivilgesellschaft und aus der demokratischen Richtung. Er hat ja auch richtige Dinge gesagt, was Armutsbekämpfung angeht.

Die Frage ist, was er machen wird, wenn er an der Macht ist. Aber die noch wichtigere Frage ist, was er überhaupt machen kann, wenn er an der Macht ist. Wird er wirklich die Möglichkeit haben, die Änderungen, die dringend notwendig sind - also Investitionen in die Infrastruktur, Stärkung der Zivilgesellschaft und die Bekämpfung der Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte im östlichen Kongo - anzugehen. Da bin ich persönlich sehr, sehr skeptisch.

DOMRADIO.DE: Was müsste passieren, damit er überhaupt die Möglichkeit bekommt, da etwas dran zu ändern - auch an den blutigen Konflikten, die es immer wieder gibt?

Greulich: Das Problem ist erst einmal, dass er wirklich Kontrolle über die Sicherheitskräfte kriegen müsste. Das ist einfach gesagt. Aber wie soll das gehen? Die haben natürlich auch ihre eigenen Interessen - gerade was zum Beispiel die Ausbeutung der Kriegssituation im Ostkongo angeht. Die werden jetzt nicht auf einmal alle die Menschenrechte achten, nur weil der Präsident anders heißt. Aber das wird sicherlich eine wichtige Sache sein, dass er die Sicherheitskräfte unter Kontrolle kriegt.

Und er muss natürlich die Korruption auch auf Regierungsebene einschränken. Das ist leichter gesagt als getan, weil Ministerien im Kongo traditionell keine Behörden sind, die zum Wohle des Volkes arbeiten, sondern dafür sorgen, dass der Herr Minister und seine Klientel gut versorgt sind.

Auch wenn Felix Tshisekedi absolut integer ist, was ich jetzt nicht bezweifeln möchte, wird er es sehr schwer haben, eine Mannschaft zusammenzubringen, die die Sache genauso sieht wie er.

Das Interview führte Martin Mölder.


Felix Tshisekedi / © Jerome Delay (dpa)
Felix Tshisekedi / © Jerome Delay ( dpa )

Wahlen im Kongo / © Jerome Delay (dpa)
Wahlen im Kongo / © Jerome Delay ( dpa )
Quelle:
DR
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