Caritas International zur Geberkonferenz für Afghanistan

Mit dem Winter kommt die Kälte

Unter Leitung der Vereinten Nationen tagt in Genf eine zweitägige internationale Geberkonferenz für Afghanistan. Stefan Recker leitet das Büro von Caritas International in Kabul. Er erklärt, warum die Hilfe so dringend benötigt wird.

Ein Mann trägt einen Sack mit Decken / © Janossy Gergely (shutterstock)
Ein Mann trägt einen Sack mit Decken / © Janossy Gergely ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie ist die Lage aktuell bei Ihnen?

Stefan Recker (Leiter Afghanistan-Büro von Caritas International): Es wird kalt, es wird Winter. Dadurch haben die über drei Millionen Binnenflüchtlinge natürlich noch eine schwierigere Situation. Das Wetter wird im Winter hier im Hochland von Afghanistan sehr kalt, teilweise bis minus zehn Grad. Das ist sehr, sehr schlimm. Afghanistan hat mit diesen Wetterextremen zu kämpfen. Dürren gibt es, es gibt Überschwemmungen, jetzt den strengen Winter und die Sicherheitslage, die noch immer sehr, sehr angespannt ist. Und dann hat natürlich auch Corona das Land schwer im Griff.

DOMRADIO.DE: Wie sehr leiden die Menschen unter der Corona-Pandemie?

Recker: Unter der Krankheit leiden die Menschen nicht so sehr, weil der Durchschnitt der Bevölkerung sehr viel jünger ist als in Europa oder in Deutschland. Von daher werden die Leute weniger krank und müssen weniger an der Krankheit leiden. Die wirtschaftlichen Probleme, die sich durch die Pandemie ergeben, sind schwerwiegender. Zum Beispiel mussten 680.000 Menschen, die im Iran als Gastarbeiter arbeiteten, nach Afghanistan zurückkehren. Deren Einkommen fehlt natürlich und das belastet den Arbeitsmarkt.

DOMRADIO.DE: Heute und morgen wird sich die internationale Gemeinschaft virtuell zu einer Geberkonferenz zusammenfinden, um Geld für Afghanistan zu sammeln. Was erhoffen Sie sich von diesem Treffen?

Recker: Weitere Perspektiven für die Hilfe, die wir und die anderen Hilfsorganisationen für die arme Bevölkerung hier im Lande leisten können. Auch über den Truppenabzug hinaus. Wir hoffen natürlich, dass es eine Befriedung des Landes gibt. Wir sind da einigermaßen optimistisch bezüglich der Gespräche in Doha.

DOMRADIO.DE: Finanzielle Hilfen sind nötig für den Wiederaufbau im Land. Was erwarten Sie denn konkret von der Bundesregierung?

Recker: Ich als Repräsentant von Caritas International erwarte natürlich möglichst mehr Geld, wenn es geht. Wir versuchen mit Mitteln der Bundesregierung, der Vereinten Nationen und Eigenmitteln der Caritas Mithilfe zu leisten. Wir haben verschiedene Projekte, mit denen wir marginalisierte Bevölkerungsgruppen, unter anderem auch im Gesundheitsbereich bezüglich Lepra und Tuberkulose, aber auch Drogenabhängige und ganz allgemein arme Menschen unterstützen.

DOMRADIO.DE: Sie haben viele Projekte, die Sie gerade angesprochen haben, um das Überleben der Menschen dort zu sichern. Was können Sie denn vor Ort ganz konkret tun?

Recker: Jetzt im Augenblick verteilen wir zum Beispiel Decken im zentralen Hochland, da gibt es Dörfer, die sind über 3.000 Meter hoch. Da wird es natürlich sehr kalt, gerade nachts. Durch die wegfallenden Wirtschaftsmöglichkeiten geht es den Leuten noch schlechter als sonst. Wir verteilen Decken, wir verteilen Heizmaterialien, ein bisschen Nahrungsmittel, in Kabul haben wir eine Notunterkunft für Drogenabhängige. Wir haben verschiedene Möglichkeiten, wie wir den Menschen helfen können.

DOMRADIO.DE: Jetzt hat US-Präsident Trump angekündigt, dass die USA ihre militärische Präsenz im Land verringern wird. Erschwert der Rückzug Ihre Arbeit in den einzelnen Provinzen in Afghanistan?

Recker: Eigentlich eher nicht. Wir haben mit dem Militär und den verschiedenen Einheiten, die hier sind, relativ wenig zu tun. Wir müssen gucken, wie sich die Sicherheitslage entwickelt. Aber wir als Caritas und die anderen Hilfsorganisationen, die hier tätig sind, wir werden natürlich solange bleiben und arbeiten, wie es geht. Ich bin kein Militärexperte, ich kann nicht sagen, wie sich das auswirken wird. Aber ich bin auch erst mal optimistisch, dass wir hier weiterarbeiten können.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR