Essens Generalvikar fordert Konsequenzen aus Fall Kohlberger

"Transparent ist das sicher nicht"

In geheimer Wahl haben die deutschen Bischöfe vergangene Woche Viola Kohlberger als Kandidatin zur DPSG-Bundeskuratin abgelehnt. Essens Generalvikar und Ex-Pfadfinder Klaus Pfeffer fordert, das ganze Prozedere zu überdenken.

Klaus Pfeffer / © Fabian Strauch (dpa)
Klaus Pfeffer / © Fabian Strauch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was war Ihre erste Reaktion, als Sie von der Ablehnung von Viola Kohlberger als Bundeskuratin der deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg erfahren haben?

Viola Kohlberger spricht am 4. September 2020 auf der Regionenkonferenz der Synodalversammlung in München / © Robert Kiderle (KNA)
Viola Kohlberger spricht am 4. September 2020 auf der Regionenkonferenz der Synodalversammlung in München / © Robert Kiderle ( KNA )

Klaus Pfeffer (Generalvikar des Bistums Essen): Ich war geschockt und auch etwas entsetzt. Mein Bischof hatte mich darüber vorab informiert, weil er weiß, wie sehr ich mit den Pfadfindern verbunden bin. 

Ich bin in diesem Verband als Jugendlicher und junger Erwachsener groß geworden, habe dort ganz viel für mein persönliches Leben gelernt, habe Kirche ganz anders erlebt, habe auch viel für meinen Glauben geschenkt bekommen. 

Klaus Pfeffer

"(Das ist) für diesen Verband und auch für die Kandidatin in gewisser Weise demütigend."

Ich weiß, welch ein Schatz die DPSG und überhaupt unsere kirchlichen Jugendverbände sind.

Dann müssen die jetzt eine solche Erfahrung machen, die für diesen Verband und auch für die Kandidatin in gewisser Weise demütigend ist. In aller Öffentlichkeit wird der Verband, vor allem aber auch die Kandidatin brüskiert. Es ging ja nicht darum, schon zu bestätigen, dass sie es wird, sondern lediglich darum, zu signalisieren damit einverstanden zu sein, dass sie kandidieren kann. 

Dann hätte die Bundesversammlung der DPSG die Möglichkeit gehabt, sich damit auseinanderzusetzen, ob man Frau Kohlberger wählt oder nicht. 

DOMRADIO.DE: Erst müssen die Bischöfe die Kandidatin absegnen und dann wählt die Bundesversammlung der Pfadfinder die Person?

Pfeffer: Ganz richtig. Das gilt quasi in allen Verbänden und Organisationen, wo Personen in ein Amt gewählt werden, die dann auch im Auftrag der Kirche eine geistliche Aufgabe wahrnehmen. Da muss vorher abgestimmt werden.

Da stellt sich jetzt die Frage, ob dieses Verfahren nicht verändert werden muss. Dass es eine Vorabstimmung, in welcher Form auch immer, braucht, kann ich nachvollziehen. Aber dass es zu einer Vorwahl kommt, die dann dazu führt, wie das offensichtlich in diesem Fall gewesen ist, dass eine Kandidatin keine Mehrheit bekommt und dadurch schwer beschädigt wird, ist problematisch. 

Was jetzt auch in den sozialen Netzwerken abgeht, finde ich schon schon ziemlich heftig. Natürlich gibt es viel Solidarität, aber es gibt auch viel Häme, gerade aus einem sehr konservativen Spektrum. Viele Kommentare, die auch für Frau Kohlberger nicht in Ordnung sind und eher demütigend sind. 

DOMRADIO.DE: Dabei haben die Bischöfe in geheimer Abstimmung über die Personalie entschieden. Wie beurteilen Sie dieses Wahlverfahren? 

Pfeffer: Interessant ist, dass sich Bischöfe offensichtlich der ganzen demokratischen Klaviatur bedienen. Es ist in solchen Verfahren durchaus möglich zu sagen, dass jemand eine geheime Abstimmung will. Ob das in so einem Fall wirklich angemessen ist, das ist die Frage. Deswegen stellt sich auch die Frage, ob dieses ganze Verfahren so passend ist. 

Klaus Pfeffer

"Die Frage (...) muss im Vorfeld vertrauensvoll geklärt werden, damit niemand öffentlich beschädigt wird."

Die Frage, ob eine Person in einem solchen Verkündigungsamt mitgetragen wird oder nicht, muss im Vorfeld sehr vertrauensvoll geklärt werden, damit niemand öffentlich beschädigt wird. Das auf so eine Art und Weise zu tun und hinterher keinerlei Erklärung abzugeben, finde ich mehr als fragwürdig. 

Ich will nicht darüber spekulieren, was hinter verschlossenen Türen vorgegangen ist. Aber wenn das tatsächlich so gewesen sein sollte, dass man geheim wählt und dann sich plötzlich eine große Mehrheit findet, die Frau Kohlberger nicht unterstützt, wirft das Fragen auf.

Warum ist man nicht bereit, dann auch offen zu sagen, welche Probleme man sieht, um dann vielleicht doch mit der Kandidatin ins Gespräch zu kommen? Transparent ist das sicher nicht. 

DOMRADIO.DE: Was spekulieren die sozialen Medien? 

Pfeffer: Die sozialen Medien spekulieren relativ viel darüber, dass es da um Vorgänge geht, die mit dem Synodalen Weg zu tun haben. Ich kann das nicht beurteilen. Ich kenne Frau Kohlberger nicht. Ich war beim Synodalen Weg nicht in den Versammlungen beteiligt. Von daher kann auch ich da nur spekulieren oder dem folgen, was in den sozialen Medien geschrieben wird.

Alleine das ist auch schon fatal, dass ganz wild spekuliert wird und wieder einmal der Eindruck entsteht, da ist eine Person, die Bischöfen nicht genehm ist, weil sie sich kritisch äußert, weil sie vielleicht nicht katholisch genug ist oder, oder.

Das ist alles schon verheerend in einer Zeit, in der die Bischöfe und die katholische Kirche ohnehin einen ganz massiven Vertrauensverlust erleiden und erleidet, weil immer wieder der Eindruck entsteht, die lassen nur Menschen zu, die ihnen in irgendeiner Form passen, die sehr linientreu sind, die stromlinienförmig auf einem vermeintlich richtigen, wahren katholischen Weg sind. Das ist verheerend.

Bei den Reaktionen, die ich bekomme, nehme ich in großer Zahl aus dem breiten Spektrum unserer Kirche wahr, dass das für viele Menschen wieder ein Vorgang ist, der sie entmutigt und verzweifeln lässt. Das ist sehr traurig.

Für die Jugendarbeit ist es sogar eine noch größere Katastrophe. Wir haben in den Verbänden junge Menschen, die noch gerne mit Kirche etwas zu tun haben wollen. Aber es wird ihnen zunehmend schwerer gemacht. Das finde ich verheerend.

DOMRADIO.DE: Sie waren selber jahrelang Pfadfinder. Warum sind die Pfadfinder und diese Jugendorganisationen und Jugendverbände in der Kirche gerade so wichtig? 

Pfeffer: Weil sie eine hohe Bindungskraft haben. Gerade bei den Pfadfindern lernt man als Kind und Jugendlicher verbindlich, sich auf andere Menschen einzulassen und in Gruppen zusammenzuleben. Man lernt demokratische Prozesse kennen. Das sind alles Dinge, die heute wichtiger denn je sind.

Es gibt Jugendverbände, in denen Kinder und Jugendliche auch mit Kirche und mit Glaubens- und Sinnfragen in Berührung kommen, wo es kaum noch andere alternative Räume gibt. Das ist eine riesige Chance.

Ich persönlich wäre nicht der Mensch, der ich heute bin, wenn ich nicht die Jugendverbandsarbeit erlebt hätte. Ich glaube, das ist heute immer noch so und darum setze ich mich dafür auch so ein, auch wenn ich schon viele Jahre nicht mehr drin bin. Aber das, was ich da nach wie vor beobachte, wie die 72-Stunden-Aktion zuletzt, erinnert mich sehr an das, was ich selber erlebt und erfahren habe.

Das ist etwas, was wir als Kirche einfach schützen und stärken und auch weiterhin fördern müssen. 

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG)

Die DPSG wurde 1929 gegründet und ist mit rund 95.000 Mitgliedern der größte katholische Pfadfinderverband und gleichzeitig einer der größten Kinder- und Jugendverbände in Deutschland. In der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg sind rund 25.000 Wölflinge (7- bis 10-Jährige), 21.500 Jungpfadfinderinnen und Jungpfadfinder (10- bis 13-Jährige), 14.000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder (13- bis 16-Jährige) sowie 14.500 Roverinnen und Rover (16- bis 20-Jährige) aktiv. Geleitet und begleitet werden sie von rund 20.000 Leiterinnen und Leitern (ab 18 Jahren).

Symbolbild Pfadfinder (Archiv) / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Symbolbild Pfadfinder (Archiv) / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR