Montagsgebete sind eine lebendige Tradition Ostdeutschlands

Beten zwischen Corona und Krieg

Montagabends wird in der historischen Wittenberger Schlosskirche für Frieden gebetet. Auf seiner Pilger-Tour hat Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen Oliver Fischer getroffen. Der Mitinitiator erklärt die Hintergründe der Gebetsaktion.

Oliver Fischer mit DOMRADIO.DE-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen (DR)
Oliver Fischer mit DOMRADIO.DE-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / ( DR )

DOMRADIO.DE: Können Sie erzählen, wie das mit den Friedensgebeten hier in der Stadt losging?

Pfarrer Oliver Fischer (Studienleiter am Evangelischen Predigerseminar in Wittenberg und Mitinitiator der Friedensgebete in der Schlosskirche): Wir beten immer am Montagabend. Im Osten der Republik ist das ein wichtiger Gebetstermin, Montagsgebete haben eine große Tradition.

Ursprünglich waren die Friedensgebete aber gar nicht als solche gedacht, jedenfalls nicht im Sinne vom Frieden in Kriegsgebieten.

Es ging vielmehr darum, um Frieden in unserer Gesellschaft zu beten, ein Zeichen zu setzen gegen das, was sich hier Montagabends in der Stadt zusammenbraute, nämlich Demonstrationen von Querdenkern oder Corona-Leugnern, die waren hier auch sehr stark.

Oliver Fischer

"Die Tradition ging also schon vorher los, als Zeichen für gesellschaftlichen Zusammenhalt, und ging dann über in das Friedensgebet."

Da haben wir uns überlegt, was wir dagegen setzen können und haben begonnen, Montagabends Mahnwachen abzuhalten.

Dann kam der 22. Februar vor einem Jahr und es war klar, dass dieser Anlass, der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine, das noch überschattet und wir ihn zum Anlass für unsere Friedensgebete nehmen müssen.

In der Kirchen haben wir dann wieder einen Ort dafür gefunden, an dem alle in der Stadt, die das bewegt, einen Ort haben, an dem sie zusammenkommen können und für Frieden beten können.

Die Wittenberger Schlosskirche ist ein UNESCO-Weltkulturerbe und gilt als Ausgangspunkt der Reformation / © Bill Perry (shutterstock)
Die Wittenberger Schlosskirche ist ein UNESCO-Weltkulturerbe und gilt als Ausgangspunkt der Reformation / © Bill Perry ( shutterstock )

Die Tradition ging also schon vorher los, als Zeichen für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Versöhnung innerhalb der Gesellschaft, und ging dann in das Friedensgebet über. Das halten wir jeden Montagabend um 18.30 Uhr ab.

DOMRADIO.DE: Der Krieg dauert immer länger. Gibt es immer noch Christen, die zusammenkommen? 

Fischer: Es hat sich eine Gruppe gefunden, die stabil ist. Und dann gibt es immer verschiedene, ganz überraschende Momente. Manchmal sind wir zu zwölft, in einer biblischen Anzahl fast, und beten für den Frieden.

Dann gibt es aber wiederum einen Montag, an dem drei Konfirmandengruppen hier anwesend sind, und vielleicht noch eine andere Gruppe und auf einmal sind 80 Leute in der Kirche, die den Montagabend zum Anlass nehmen, um dazu zu kommen.

DOMRADIO.DE: So ein Gebet stärkt diejenigen, die da sind, oder?

Fischer: Ja, sonst würden sie nicht kommen. Wir machen das so, dass wir uns immer wieder neu fragen: "Wollen wir weitermachen?"

Wir wollen nicht einfach einen neuen Termin setzen, den wir unbedingt weiterführen müssen, weil er nun mal da ist. Wir versuchen immer, wenn eine Phase an ihr Ende gelangt, uns darüber zu abzustimmen. Wir sagen immer bis zum nächsten Hochfest.

Jetzt findet es das letzte Mal vor der Sommerpause statt . Und dann schauen wir, wie die Stimmung unter denen ist, die kommen. Wir wollen nicht einfach nur ein unverbindliches Treffen, sondern, dass man einen gemeinschaftlichen Moment erleben kann.

Oliver Fischer

"Es hat eine große Kraft – auch Durchreisende teilen uns oft mit, wie schön sie es finden, dass sie hier gestärkt wieder herausgehen können."

Die, die kommen, werden immer vertrauter miteinander. Gleichzeitig ist es sehr offen. Es hat eine große Kraft – auch Durchreisende teilen uns oft mit, wie schön sie es finden, dass sie hier gestärkt wieder herausgehen können.

DOMRADIO.DE: Nun ist Frieden ja ein Auftrag, den Christen durch die Nachfolge des Friedensfürsten Jesus Christus mit in die Wiege gelegt bekommen haben. Wie sieht das bei Ihnen ganz konkret im Alltag aus?

Fischer: Wenn ich vom Friedensgebet komme, merke ich, wie es einen Kristallisationspunkt gibt, auf den ich mich konzentriere und der mich an diesen Auftrag erinnert, friedlich zu sein.

Ich gebe zu, es ist nicht so, dass ich am nächsten Tag in der Woche unbedingt friedlicher bin, aber dennoch schöpft man Kraft aus diesen schönen Momenten.

Ansonsten ist die Umsetzung des Friedensauftrages Jesu Christi ein tägliches Versuchen und Probieren.

DOMRADIO.DE: Ist Frieden ein Geschenk oder ist es eine Aufgabe?

Fischer: Es ist ganz bestimmt beides. Es ist eine Aufgabe, an der man, auch persönlich immer wieder scheitert.

Frieden ist ein Geschenk, wenn er geschieht. Das hat aber auch viel damit zu tun, sich Frieden zu suchen, sich dafür einzusetzen, auch viel dazu zu geben, um Verzeihung zu bitten, wenn es unfriedlich wird. Ich glaube, es ist beides.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.

Information der Redaktion: Alle Informationen zur Rad-Pilger-Tour für den Frieden finden Sie hier.

DOMRADIO.DE-Chefredakteur auf Rad-Pilger-Tour für den Frieden

Die multimediale " Rad-Pilger-Tour für den Frieden", eine Zusammenarbeit vom DOMRADIO.DE mit dem Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken, führt in diesem Jahr vom Kölner Dom bis ins polnische Breslau. Für jeden gestrampelten Fahrradkilometer spendet das Bonifatiuswerk einen Euro an den Flüchtlingsdienst der Jesuiten, insgesamt also 1.225 Euro. Die Aktion unterstützten kann man bequem per Online-Spendenformular (hier klicken).

Ingo pilgert / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Ingo pilgert / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )
Quelle:
DR