Missio fordert Umdenken beim Recyceln von Elektroschrott

"Einer der dreckigsten und giftigsten Orte der Welt"

In deutschen Haushalten liegt zu viel Elektroschrott. Anders als in Ländern des globalen Südens werden in Deutschland alte Handys zum Beispiel nicht richtig recycelt. Das beklagt Jörg Nowak von missio am "Global Recycling Day".

Kinder stehen vor Alt-Computern auf einer Müllhalde für Elektroschrott in Ghana / © missio
Kinder stehen vor Alt-Computern auf einer Müllhalde für Elektroschrott in Ghana / © missio

DOMRADIO.DE: Deutschland erfüllt seit vielen Jahren nicht die Quote beim Recyceln. Woran liegt das? 

Jörg Nowak / © Harald Oppitz (missio)

Jörg Nowak (Stellvertretender Pressesprecher des katholischen Hilfwerks missio): Das liegt daran, dass wir noch viel deutlicher auf solche Tage wie den “Global Recycling Tag” hinweisen müssen, weil wir zwar einen kleinen Teil des Elektroschrotts sammeln und recyceln, aber Deutschland seit Jahren hinter der EU-Quote her hinkt und auch im europäischen Vergleich relativ schlecht da steht. 

Jörg Nowak

"Ich würde wirklich von einer Recyclingkrise sprechen, weil sich mehr und mehr Elektroschrott stapelt".

Das heißt, wir haben die große Herausforderung, dass mehr und mehr Elektrogeräte gekauft werden, aber die Sammel- und Recyclingquote absolut niedrig ist. Ich würde wirklich von einer Recyclingkrise sprechen, weil sich mehr und mehr Elektroschrott stapelt.

DOMRADIO.DE: Eine der größten Elektroschrotthalden Afrikas liegt in Ghana. Sie waren dort, haben sich das angesehen und dort auch europäische Technik gefunden. Wie muss man sich diese Müllkippe vorstellen?

Nowak: Für mich ist es einer der dreckigsten und giftigsten Orte der Welt, wo sämtlicher Schrott landet, wie alte Autos oder alte Computer. Ich habe dort Tastaturen mit Äs, Üs und Ös entdeckt. Das sind deutsche Tastaturen. Ich habe eine Kofferraumklappe von einem Auto gesehen mit einem Londoner Kennzeichen. 

Ein Mann arbeitet auf einer Elektroschrotthalde in Ghana / © missio
Ein Mann arbeitet auf einer Elektroschrotthalde in Ghana / © missio

Das heißt, das sind alles Indizien dafür, dass der illegale Elektroschrotthandel oder die illegalen Exporte von Europa weitergehen. Ich habe beeindruckende Menschen getroffen, die in ihrer Verzweiflung versuchen, dort an diesem Ort irgendwie zu überleben, die sich sagen, in diesen Geräten, in den Kabeln sind ganz wichtige Stoffe drin, da ist Kupfer, da gibt es in allen Klimaanlagen Messing, da müssen wir dran kommen, dadurch können wir überleben. 

Diese Menschen sind so wahnsinnig kreativ und beeindruckend. Sie stellen aus alten Autofelgen, Campinggrills her. Diese Menschen sind sehr beeindruckend. Und sie brauchen unbedingt Unterstützung.

DOMRADIO.DE Wie viele Menschen sind das? 

Kinder spielen auf einer Müllhalde in Ghana / © missio
Kinder spielen auf einer Müllhalde in Ghana / © missio

Nowak: Man schätzt, dass rund 6.000 Menschen dort auf dieser Elektroschrotthalde arbeiten. Darunter sind auch Kinder, was wirklich ganz schrecklich ist. Deswegen hat missio zusammen mit "Ein Herz für Kinder" dort nun eine Kindertagesstätte aufgebaut, wo 150 Mädchen und Jungen einen sauberen Ort zum Spielen und Lernen haben.

DOMRADIO.DE: Sie als Hilfswerk sammeln seit vielen Jahren ausrangierte Handys, um was damit zu tun?

Nowak: Ja, wir haben auf die Botschaften unserer Projektpartner reagiert. Einerseits aus dem Kongo, wo die sogenannten Blutmineralien herkommen und wo Rebellen diese Gebiete erobern, um illegal dieses Gold und Coltan weiterzuverkaufen. Dort haben wir schon immer Hilfsprojekte unterstützt. 

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Missio fordert Umdenken beim Recyceln von Elektroschrott

Wir haben uns gesagt, dass wir auf die Zusammenhänge unserer Lebenswirklichkeit hinweisen müssen. Diese Handyspendenaktion hat für eine sehr große Resonanz gesorgt und hat einerseits das Ziel erreicht, dass die Menschen in ihren Schubladen nachgucken, was da noch an alten Handys liegt. 

Es hat auch für eine Sensibilisierung gesorgt, dass uns bewusst wird, dass wir auf einem gigantischen Goldschatz sitzen. In den ausgemusterten Handys befindet sich nämlich 6.000 Kilogramm Gold. Da müssen wir ran. Das ist wertvoll und das ist wichtig.

DOMRADIO.DE: Für manche Güter gibt es ein Pfandsystem, wie für Paletten, Autobatterien, Getränke. Bei Handys allerdings nicht. Wäre das nicht eine Idee?

Projekt des Hilfswerks missio: "Recycling Revolution"  / © missio
Projekt des Hilfswerks missio: "Recycling Revolution" / © missio

Nowak Genau, da haben wir hausintern auch schon drüber diskutiert. Wir haben angefangen, vor neun Jahren auf dem Katholikentag alte Handys einzusammeln. Bislang haben wir mit den Kooperationspartnern 500.000 Handys gesammelt. Aber vor dem Hintergrund der 200 Millionen Smartphones, die in Schubladen verstauben, braucht es eine größere Lösung. 

Deswegen ist der “Global Recycling Tag” so wichtig. Einerseits müssen mehr Leute auch bereit sein, in den Discounter zu gehen oder zu Media-Markt oder Saturn, um dort die Altgeräte abzugeben. 

Jörg Nowak

"Ich glaube, dass wir einen Handy-Pfand brauchen. Es muss eine kleine Motivation geben. Ansonsten ersticken wir in diesem Elektroschrott".

Ich glaube, dass wir einen Handy-Pfand brauchen. Es muss eine kleine Motivation geben. Ansonsten ersticken wir in diesem Elektroschrott und wir werden das weiter diskutieren. 

Wir hatten letztes Woche ein Gespräch mit dem Umweltminister von Nordrhein-Westfalen. Wir wollen mit der Politik und der Wirtschaft ins Gespräch gehen. Wir kooperieren mit der Deutschen Telekom. Das ist ein ganz wichtiges Thema, was uns hier und auch in Afrika betrifft.

DOMRADIO.DE: Wohin führt es, wenn wir nicht recyceln?

Nowak: Ich glaube, dann wird es langfristig so aussehen wie auf der Elektroschrotthalde in Agbogbloshie. Es wird in Deutschland der Müll überquellen. Dass 6.000 Kilogramm Gold in den Handys stecken, sieht man ja nicht. Und wenn sich hier immer mehr Elektroschrott ansammelt, gibt es immer mehr Leute, die verstehen, dass das ein lukratives Geschäft ist. Sie werden es dorthin bringen, wo die Menschen solche Umweltschutzgesetze nicht haben. Es wird überquellen.

Die Vereinten Nationen haben darauf hingewiesen, dass das Thema Elektroschrott neben der Klimakrise eine der allergrößten Herausforderungen ist. Das müssen wir angehen, denn das betrifft die Situation im Kongo, die Situation in Deutschland, in Europa und in Ghana und vielen anderen Ländern. Das ist eigentlich so einfach.

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Das Hilfswerk missio

Das Internationale Katholische Missionswerk missio mit Sitz in Aachen und München ist eines von weltweit mehr als 100 Päpstlichen Missionswerken. Missio München ist das Missionswerk der bayerischen, missio Aachen das der anderen deutschen Bistümer. Das Wort missio kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Sendung.

Quelle:
DR

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