Luxemburgs Ministerpräsident Juncker zum Streit um Sterbehilfe

"So groß, dass ich ihn dem Land nicht verbergen kann"

Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker hat eine Verfassungsänderung vorgeschlagen, um eine Krise nach dem "Nein" von Großherzog Henri zum geplanten Sterbehilfegesetz zu verhindern. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert Auszüge seiner Erklärung in einer eigenen Übersetzung.

 (DR)

«Bei meinen regelmäßigen Gesprächen mit dem Großherzog hat dieser mich vor einigen Monaten informiert, dass er sich im Falle der Annahme eines Sterbehilfegesetzes nicht in der Lage sehe, dieses Gesetz zu sanktionieren und zu verkünden. Ich habe dem Großherzog bereits vor einigen Monaten und erneut vor wenigen Tagen gesagt, ich sei nicht der Auffassung, dass er sich auf Grundlage unserer Verfassungspraxis dem Willen des gewählten Parlaments widersetzen könne. Die gesamte Regierung teilt diesen Standpunkt, den ich ihm am Freitag übermittelt habe.

Ich habe den Großherzog gebeten, mit den Fraktionsvorsitzenden zusammenzutreffen, damit er ihnen seine Meinung, seine Absicht und seine Entschiedenheit übermittele. Der Großherzog hat gestern die Fraktionsvorsitzenden getroffen und sie informiert.

Es gehört nicht zu den Gewohnheiten des Staatsministers (...), über seine Gespräche mit dem Großherzog zu berichten. Wenn ich es heute tue, dann nur, weil wir uns in einer außergewöhnlichen Situation befinden.

Ich habe den größten Respekt für den Großherzog. Ich finde, dass er seine Arbeit im Dienst des Landes gut macht. Aber im gegenwärtigen Fall sind die Regierung und ich selbst in einer schweren Meinungsverschiedenheit mit dem Großherzog, sollte das Gesetz beschlossen werden und er es nicht in Kraft setzen würde. Die Meinungsverschiedenheit ist so groß, dass ich sie dem Land nicht verbergen kann.

Wir leben in einer Zeit, die durch besondere Schwere gekennzeichnet ist. Wir haben mit einer großen Finanz- und einer großen Wirtschaftskrise zu tun, die die besten Kräfte des Landes konzentriert und die uns vereinigen muss, um das Land mit so wenig Schaden wie möglich aus der Krise zu führen. Daher scheint es uns, dass wir dieser besonders schweren Krise keine Verfassungskrise hinzufügen dürfen.

Um die Gewissensfreiheit des Großherzogs zu achten (...), sind wir mit dem Großherzog und den Fraktionsvorsitzenden übereingekommen:
Wir müssen eine Verfassungsänderung durchführen, die darin besteht, dass der Großherzog weiter in Zukunft als Staatschef Gesetze verkündet, aber dass er nicht länger genötigt wird, sie als Teil der Legislative zu billigen. Denn das Wort «billigen» schließt selbstverständlich das Wort «zustimmen» ein.

Da der Großherzog dem Inhalt des Gesetzes nicht zustimmt, wenn es verabschiedet werden sollte, wollen wir eine institutionelle Krise vermeiden und gleichzeitig dem Großherzog seine Meinungs- und Gewissensfreiheit lassen. Wir streichen also in Artikel 34 der Verfassung den Abschnitt, der besagt, dass der Großherzog die Gesetze billigen muss. Der Großherzog wird die Gesetze aber weiter verkünden; das bedeutet, dass er sie sozusagen technisch in Kraft setzt.

Ich habe über diesen Punkt mit Justizminister Frieden (...) und den Fraktionsvorsitzenden gesprochen. Was ich hier mitteile, gibt die Meinung aller politischen Kräfte im Abgeordnetenhaus wieder. Ich bedauere, dass ich mich verpflichtet sehen musste, so weit zu gehen.
Aber wenn man eine institutionelle Krise vermeiden will, gibt es keine andere Möglichkeit als eine Verfassungsreform. Wir werden sie so schnell wie möglich durchführen. Die Abstimmung über das Sterbehilfegesetz wird stattfinden. Und vorher wird es eine Verfassungsreform geben, die es uns ermöglicht, eine institutionelle Krise zu verhindern."