Die Menschen, die den mehr als 200 Urvölkern Brasiliens angehören, wollen endlich respektiert werden. Doch trotz kleiner Fortschritte gibt es für sie am Tag der indigenen Völker, der am Montag begangen wird, wenig zu feiern.
Vor wenigen Tagen begrüßten Vertreter der indigenen Bevölkerung die Einrichtung einer eigens für sie zuständigen Gesundheitsbehörde, der «Sesai» - ihr erster Sieg während der fast achtjährigen Regierungszeit von Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva, meinten einige. Erschreckende Statistiken des Indio-Missionsrates der katholischen Kirche CIMI hatten immer wieder die Inkompetenz der staatlichen Gesundheitsbehörde FUNASA aufgezeigt: Mindestens 41 Erwachsene und 9 Kinder sollen allein 2009 aufgrund mangelhafter Gesundheitsbetreuung gestorben sein.
Nun soll die neu geschaffene Sesai die Aufgabe übernehmen. Doch aus der anfänglichen Freude ist bereits Skepsis geworden. «Indem man der Behörde einen neuen Namen gibt, ändert man nichts an den Realitäten», warnt Kaka Wera Jecupe, ein Aktivist vom Stamm der Tapuia-Indianer im Bundesstaat Sao Paulo. «Entscheidend ist, dass sich das Verhältnis der Regierungsbehörden zu den Indios ändert.»
Symptomatisch sei der Umgang der Regierung mit den Ureinwohnern, die gegen den Bau des Belo-Monte-Staudamms kämpfen. «Es ist traurig, wie die Regierung keinerlei Respekt für die dort lebenden Indios, ihre verschiedenen Kulturen und für die Artenvielfalt der Region zeigt», sagt Kaka Wera. Der Damm bedroht die Lebensgrundlage der Indios am Xingu-Fluss im Bundesland Para. Trotzdem hat die Regierung auf die qua Verfassung vorgeschriebenen öffentlichen Anhörungen der lokalen Bevölkerung verzichtet. Erbost errichteten die Indios Straßen- und Flussblockaden und kampierten vor Regierungsgebäuden der Hauptstadt Brasilia. Doch dort ist man entschlossen, das Projekt durchzuziehen.
Seit den Anfängen der Kolonialisierung Brasiliens sei der Indio als soziale Figur verneint und sein Land von den Siedlern gestohlen worden, meint Lucia Helena Rangel, Mitautorin eines CIMI-Berichtes, der allein für das vergangene Jahr 60 Morde an Nachfahren der Ureinwohnern auflistet. «Mit Sicherheit kann man sagen, dass die Hälfte dieser Morde auf Landkonflikte zurückgeht», urteilt sie. Zudem würden die Indioführer, die für ihre Landrechte kämpfen, von der Agrarlobby öffentlich kriminalisiert. Die Agrarindustrie nämlich will die Indio-Gebiete des Zentralwestens und des Nordens für ihre Sojapflanzungen und für die industrielle Viehwirtschaft nutzen.
Der Landkonflikt und die Überbelegung zahlreicher Reservate verschärften den Druck auf die Indios noch weiter, so Rangel: «Es gibt wenige demarkierte Gebiete, und die sind überbevölkert. Deshalb können die Indios hier nichts anpflanzen.» Zudem weise die Indiobehörde FUNAI oft verfeindeten Stämme ein gemeinsames Siedlungsgebiet zu. So komme es zu internen Spannungen, die durch den Konsum von Alkohol und Drogen weiter verstärkt würden.
Eine Umkehr in der Indio-Politik hatten sich viele Aktivisten vom Amtsantritt von Präsident Lula Anfang 2003 versprochen. «Wir hatten eigentlich erwartet dass eine Regierung, die von einer Arbeiterpartei angeführt wird, in diesen Bereichen ihre Priorität anders setzt», sagt Rangel; «aber wir haben uns getäuscht.» Kaka Wera urteilt, in der Mittel- und Oberschicht des Landes sei die Akzeptanz der Ureinwohner und ihrer Anliegen zwar gestiegen. Dennoch: «Für die Politiker ist der Indio immer noch ein Störenfried - und für die unteren Bevölkerungsschichten lediglich eine exotische Figur.»
Brasiliens Indios kämpfen um ihre Rechte
Zwischen Sojabauern und Staudämmen
Brasiliens Indios wehren sich. Sie wollen keine industrielle Landwirtschaft, keine gigantischen Infrastrukturprojekte. Und sie wehren sich gegen die Bedrohung ihrer Siedlungsgebiete. Und gleichzeitig kämpfen sie gegen die tief in der Gesellschaft verwurzelte Diskriminierung, die sich in offener Gewalt und verstecktem Rassismus äußert.
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