Die Arbeit christlicher Organisationen im muslimischen Somalia

Nothilfe im Schatten der Gewalt

Die Nachrichten aus Somalia sind beängstigend: Obwohl unzählige Hilfsorganisationen zu Spenden aufrufen und Regierungen Millionen von Euro zur Verfügung stellen, weitet sich die ostafrikanische Hungerkatastrophe immer weiter aus.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Betroffen ist nach Angaben der Vereinten Nationen mittlerweile mindestens jeder fünfte Haushalt. Das wissen auch die Mitarbeiter von Caritas International. Gemeinsam mit der Diakonie Katastrophenhilfe kümmert sich die Organisation bereits seit fast 20 Jahren um notleidende Menschen in Somalia. Möglich ist das allerdings nur mit Hilfe eines lokalen Partners vor Ort und dem Grundsatz der strikten Neutralität.



Dieser gilt bereits seit 1992. Seitdem arbeiten die beiden christlichen Organisationen mit ihrem Partner Daryeel Bulsho Guud (DBG), was übersetzt etwa "Hilfe für alle" bedeutet, zusammen.

Einsatzgebiet war bislang hauptsächlich die Hauptstadt Mogadischu und das Umland. Für das Team, das aus 30 Mitarbeitern besteht, sei die Arbeit immer wieder lebensbedrohlich gewesen, sagt Achim Reinke, Sprecher von Caritas International. "2008 und 2009 sind drei Helfer ums Leben gekommen", berichtet er. Dennoch zeigt die Organisation DBG gemeinsam mit ihren Unterstützern aus Deutschland, dass sogar in Somalia Hilfe möglich ist.



Leider ist das jedoch die Ausnahme. In dem kriegsgebeutelten Land, das seit dem Sturz des Diktators Siad Barre im Jahr 1991 über keine funktionierende Regierung mehr verfügt, nimmt die Zahl der Hilfsorganisationen seit Jahren ab - obwohl die Menschen Unterstützung bitter nötig hätten. Grund dafür sind die Al-Shabaab-Milizen, die weite Teile des Landes, in dem geschätzt 8,7 Millionen Einwohner leben, kontrollieren. Allein vor zwei Jahren wiesen sie 14 Organisationen kurzerhand aus Somalia aus, weitere mussten ein Jahr später ihre Koffer packen. Andere gingen mehr oder weniger freiwillig. Kritik, etwa von der US-amerikanischen Regierung, die im September 2010 das Verhalten der Milizen scharf verurteilte, wird ignoriert. Man möchte keine Einflussnahme von außerhalb - höchstens dann, wenn die ausländischen Organisationen bereitwillig Schutzzölle an die Islamisten zahlen und diese so finanzieren.



Vor Ort helfen nur Muslime

Die Gruppe, die sich Ende der 1990er Jahre gründete, vertritt einen radikalen Islam. Seit im Jahr 2009 die Scharia als Rechtsgrundlage in Somalia eingeführt wurde, kämpfen die Milizen dafür, die islamische Gesetzgebung auch auf andere Teile Afrikas auszuweiten. Darüber hinaus haben die Al-Shabaab-Milizen Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Qaida.



Dass DBG von ihnen geduldet wird, hängt wohl auch mit dem Konzept der Unabhängigkeit zusammen. "Die Organisation achtet darauf, Mitarbeiter aus den verschiedenen Clans einzustellen, um auch auf diese Weise ihre strikte Neutralität zu unterstreichen", erklärt Achim Reinke. Der Aspekt Religion spielt für die drei Hilfsorganisationen indes keine Rolle. Laut Reinke sind alle Mitarbeiter vor Ort Muslime. Ohnehin gehören nicht einmal ein Prozent der Einwohner Somalias dem christlichen Glauben an. Immer wieder hat es in den vergangenen Jahren Hinweise darauf gegeben, dass die wenigen Christen, die sich noch im Land aufhalten, benachteiligt und sogar verfolgt würden.



Wichtig für die Arbeit der DBG sei vor allem, dass sie sowohl von der Übergangsregierung als auch von den Al-Shabaab-Milizen anerkannt werde. "Als lokale Hilfsorganisation kennen wir die Führer beider Seiten. Sie sind von unserer Neutralität überzeugt und wir können direkt mit ihnen verhandeln", sagt Omar Olad Ahmad, Direktor von DBG. "Wir stehen deshalb in ständigem Kontakt mit beiden Seiten und informieren über jedes Detail unserer Arbeit." Dies habe erst vor kurzem die Verteilung deutscher Medikamente an mehrere Krankenhäuser ermöglicht.