Zum Nachlesen und -hören im domradio: Kardinal Lehmann stellt die Ergebnisse der Frühjahrsvollversammlung vor

Die Bischöfe ziehen Bilanz

Zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe hat Kardinal Karl Lehmann eine am "Kindeswohl orientierte Familienpolitik" in Deutschland gefordert. Außerdem stellte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die Ergebnisse der Studientagung zu den Entwicklungen und Perspektiven der pastoralen Neuordnungen in den Diözesen vor.

 (DR)

"Belange des Kindeswohls genießen Vorrang"
Der Ausbau der Kinderbetreuung dürfe nicht durch das Abschmelzen anderer familienpolitischer Leistungen finanziert werden. Eltern müssten wirklich frei wählen können, ob sie wegen ihrer Kinder auf Berufstätigkeit verzichten oder ob sie Krippenplätze in Anspruch nehmen wollten, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, am Samstag zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Mainz.

Eine zukunftsorientierte Familienpolitik dürfe sich niemals darauf beschränken, das Familienleben an die Erfordernisse der Berufswelt anzupassen, betonte der Kardinal. "Belange des Kindeswohls genießen Vorrang vor den Erfordernissen des Arbeitsmarktes." Familien dürften weder offen noch unterschwellig zu einem einheitlichen Modell der Kinderbetreuung gedrängt werden.

Entscheidend sei auch die Qualität der frühkindlichen Betreuung in öffentlichen Einrichtungen, unterstrich der Mainzer Bischof. Notwendig sei eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung der Erzieherinnen und insbesondere auch ein Personalschlüssel, der ein Erzieher-Kinder-Verhältnis von etwa 1 zu 4 ermögliche. Bestehende Kindergartengruppen, die auf Grund sinkender Kinderzahlen insgesamt kleiner werden, dürften nicht einfach mit unter dreijährigen Kindern aufgefüllt werden.

Stärkere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Rente
Für die katholischen Bischöfe zeigt sich eine zukunftsorientierte Familienpolitik allerdings nicht nur bei der Kinderbetreuung. Lehmann forderte unter anderem eine stärkere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Rente. Die Rentenversicherung bevorzuge kinderlose Doppelverdiener, denen eine deutlich höhere Rente zustehe als einem Elternpaar, das auf Grund von Kindererziehungszeiten oder eingeschränkter Erwerbstätigkeit weniger Beiträge einzahle, sagte der Kardinal. Dies sei ein Konstruktionsfehler der Versicherung, weil doch einst von diesen Kindern die Renten gesichert werden müssten.

Harsche Kritik des Augsburger Bischofs Walter Mixa an Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte in den vergangenen Wochen eine heftige Debatte über die Familienpolitik ausgelöst. Dabei nahm Lehmann von der Leyen wegen ihrer Pläne zum Ausbau der Kinderkrippen indirekt in Schutz. Die katholische Kirche sei bereit, sich beim Ausbau der Betreuungsplätze zu beteiligen, sagte der Kardinal und verwies darauf, dass evangelische und katholische Kirche schon heute 1,2 Millionen Kindergartenplätze in 18.000 Einrichtungen trügen. Sie stellten damit rund die Hälfte der bundesdeutschen Kindergärten und Kindertagesstätten.

Mixa hatte von der Leyens Ausbaupläne als "ideologiegeleitet" kritisiert und der Ministerin vorgeworfen, sie verfolge veraltete feministische Forderungen. Es sei inhuman, wenn 70 bis 80 Prozent der Mütter ein Jahr nach der Geburt des Kindes wieder in den Arbeitsprozess zurückkehren müssten. Erziehung und Betreuung der Kinder müssten zuallererst in der Familie angesiedelt sein.

Die katholischen Bischöfe haben eine insgesamt positive Zwischenbilanz der Reformprozesse in den Diözesen gezogen. Trotz mancher Probleme und Widerstände eröffne die Zusammenlegung von Gemeinden neue Chancen für die Seelsorge und ermögliche eine größere Vielfalt, sagte Kardinal Lehmann. Wenn Gemeinden sich zu ihren Nachbarn öffneten und nicht mehr so sehr um den eigenen Kirchturm kreisten, erhalte das kirchliche Leben neue Lebendigkeit.

In nahezu allen 27 katholischen Diözesen sind in den vergangenen Jahren Pfarrgemeinden zu größeren Einheiten zusammengefasst worden. Dabei verloren sie entweder ihre Selbstständigkeit oder blieben innerhalb eines größeren Verbundes als rechtliche Einheiten bestehen. Im Jahr 2005 gab es insgesamt rund 12.800 katholische Kirchengemeinden im Land.

"Neubesinnung auf Theologie"
Die Kirche und ihre Dienste müssten den Menschen nah bleiben, betonte der Kardinal. Kirchliche Angebote müssten deshalb besser vernetzt werden. Lehmann räumte ein, dass viele Pfarrer durch wachsende Anforderungen in ihrer Rolle verunsichert seien.Notwendig sei deshalb eine Neubesinnung auf die Theologie des Priestertums, aber auch eine Entlastung der Geistlichen von Verwaltungsaufgaben. Gleichzeitig müssten Laien mehr Verantwortung übernehmen und ehrenamtliche Arbeit gestärkt werden.

Der Kardinal betonte, dass die Reformen nicht allein wegen finanzieller Probleme und sinkender Zahlen bei Priestern und Katholiken durchgeführt würden. Auch in der Kommunalpolitik seien in den vergangenen Jahrzehnten größere Einheiten geschaffen worden. Die Lebensräume der Menschen seien einfach größer geworden. Lehmann erklärte weiter, für die Bischöfe bleibe die Pfarrgemeinde eine entscheidende Sozialform von Kirche. Klöster, geistliche Gemeinschaften oder neue Seelsorgeformen wie die City-Pastoral in Großstädten könnten innerhalb dieser pastoralen Einheiten wirken. Nach Ansicht des Kardinals müssen sich alle Strukturreformen der Kirche daran messen lassen, dass Glaubensverkündigung, Sakramentenspendung und tätige Nächstenliebe in den Gemeinden weiter zentrale Aufgaben bleiben.

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