Türkische Verbände wollen Integrationsgipfel boykottieren - Treffen soll dennoch stattfinden - Kabinett verabschiedet Maßnahmen für bessere Integration

Die Luft wird dünner auf dem Gipfel

Dem für Donnerstag geplanten Integrationsgipfel im Kanzleramt droht ein Boykott. Nach Angaben des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, wollen vier Organisationen nicht an dem Treffen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnehmen. Die Androhung stieß auf scharfe Kritik der Union. Derweil äußerte der Berliner Migrationsbeauftragte Günter Piening Verständnis für eine solche ablehnende Haltung.

 (DR)

Kolat machte die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Verschärfung des Zuwanderungsrechts für ein mögliches Scheitern des Gipfels verantwortlich. Solche Verschärfungen passten nicht zum Gipfel-Prozess. "So wie es zur Zeit scheint, werden die Stühle frei bleiben", sagte Kolat. Nach seinen Angaben werden neben der Türkischen Gemeinde auch die Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland, die Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung und die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion DITIB dem Treffen fernbleiben.

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), nannte die Boykott-Androhung nicht nachvollziehbar. "Man kann nicht einerseits den Dialog fordern und sich ihm andererseits verweigern", sagte sie. Zugleich wies Böhmer den Vorwurf zurück, das neue Zuwanderungsgesetz sei diskriminierend. Integration heiße auch, dass man die Werte und Regeln eines Landes, in das man komme, akzeptiere. Ein entscheidender Prüfstein dafür sei die Gleichberechtigung der Frau.

Bundesregierung hält am geplanten Integrationsgipfel fest
"Der Gipfel findet auf jeden Fall statt - unabhängig von der Teilnahme einzelner Verbandsvertreter", sagte Böhmer dem "Mannheimer Morgen". Sie betonte: "Die Integration geht weiter, schließlich tragen wir die Verantwortung für 15 Millionen Menschen aus Zuwandererfamilien in unserem Land." Integration funktioniere nur im Dialog. Und die Bundesregierung sei zu dessen Fortsetzung bereit.

Böhmer betonte im ARD-"Morgenmagazin", aus dem türkischstämmigen Teilnehmerkreis lägen ihr nach 14 Einladungen zwölf Zusagen vor. Sie hoffe sehr, dass auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, dabei sein werde. Böhmer betonte: "Wer die Türe zuschlägt, löst keine Probleme."

Ausländer nicht gleich Ausländer
Hauptkritikpunkt der türkischen Verbände ist laut Kolat, dass bei neuen Restriktionen etwa beim Familiennachzug zwischen Staatsangehörigen deutscher und nichtdeutscher Herkunft unterschieden werde. "Das ist eine Diskriminierung", sagte Kolat. Zwangsheirat sei eine Menschenrechtsverletzung und müsse geahndet werden. Die neuen Maßnahmen änderten aber nichts daran. Zudem lehnen die Verbände ab, dass künftig bereits vor der Einreise erste Deutschkenntnisse nachgewiesen werden sollen.

Kritik aus der CDU an Verbänden
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) bezeichnete es als "erstaunlich, wie schnell manche Funktionäre von türkischen Verbänden das Wort der Diskriminierung im Munde" führten. Der CDU-Politiker warf den Verbänden vor, zu wenig zu tun, "um die Integrationsprobleme der nachziehenden Ehefrauen zu lösen". Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hartmut Koschyk, fordert die türkischen Verbände auf, von ihrer Boykottdrohungen gegen den Integrationsgipfel abzurücken.

Für Berlins Migrationsbeauftragten Piening ist die Absage türksicher Verbände indes "Es ist von Seiten der Bundesregierung unterschätzt worden, wie tief verletzt die Migrantenverbände über die nicht gehörten Vorschläge zum Zuwanderungsgesetz gewesen sind", sagte er. Ihn selbst habe schon im Vorfeld die harte Haltung der Bundesregierung überrascht. Jetzt stehe man vor einem "Scherbenhaufen".
Bundeskabinett verabschiedet Maßnahmen für bessere Integration
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch rund 150 Maßnahmen für eine bessere Integration von Zuwanderern beschlossen. Der Bund trage damit entscheidend zur verbesserten Integration der 15 Millionen Menschen aus Zuwanderfamilien in Deutschland bei, sagte die Bundes-Migrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) in Berlin. Die Verpflichtungen fließen in den Nationalen Integrationsplan ein, der am Donnerstag im Kanzleramt vorgestellt werden soll.

Böhmer erklärte weiter, die Bundesregierung setze sich mit dem Kabinettsbeschluss zehn Leitlinien für eine erfolgreiche Integrationspolitik. Dazu zählten der Dialog und die enge Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen, gesellschaftlichen Gruppen und Migranten, das Wecken und Nutzen der Potenziale von Zugewanderten sowie die Förderung von Frauen und Mädchen aus Migrantenfamilien.

Zu den Vorhaben des Bundes zählt unter anderem die Ausweitung der Integrationskurse. Statt 600 soll es 900 Stunden Unterricht geben, der für besondere Gruppen wie Mütter, Analphabeten und Jugendliche differenziert wird. Zudem soll die berufsbezogene Sprachförderung für Migranten weiter unterstützt werden, ebenso die in Kindergärten.

Wirtschaft und Regierung wollen gemeinsam einen "Ausbildungspakt" intensivieren, um Bildung und Ausbildung junger Migranten zu fördern. Es soll zudem eine Onlineberatung für Frauen geben, die von Zwangsverheiratung und häuslicher Gewalt betroffen sind. Böhmer kündigte überdies an, im Laufe des Jahres ein bundesweites Netzwerk für "Bildungspaten" ins Leben zu rufen, das Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien in Schule und Ausbildung unterstützen soll.