Viele der 11.250 Glasquadrate aus 72 Farbtönen, die Richter für das Fenster per Computer zusammengestellt hat, haben Mitarbeiter der Dombauhütte und der Firma Derix aus Taunusstein schon eingebaut. Mannigfache Mischungen aus den Grundfarben Blau, Rot und Gelb sind entstanden. Durch die Folie schimmern die Quadrate noch gedämpft und unscharf. Doch sobald das Licht einfällt, sollen sie leuchten. Der Wunsch von Dompropst Norbert Feldhoff könnte in Erfüllung gehen: "Das Fenster soll ein wahnsinniges, von Farben schillerndes Licht schaffen." Es stelle nichts Religiöses dar, animiere aber zur Meditation. "So entsteht ein Flair", hofft der Geistliche, "das für das Religiöse öffnet".
Als Vorbild diente Richter, der am Kunstmarkt Höchstpreise erzielt, eines seiner eigenen Werke: das abstrakte Bild "4.096 Farben" von 1974, das heute im Kölner Museum Ludwig hängt. "Ich nahm es als Schablone und war erstaunt, wie gut das aussah", beschreibt der Maler den Entstehungsprozess. Um diesen verständlich zu machen, präsentiert das Museum Ludwig parallel zur Einweihung Entwürfe. Die Fachleute von der Glasfirma haben unterdessen schon das Triforium, den Laufgang unterhalb des eigentlichen Fensters, verglast. Auch das Couronnement, die Fensterspitze, ist fertig.
Die 9,4 Zentimeter hohen und breiten Farbquadrate aus mundgeblasenem Glas werden mit Silikon-Gel auf Trägerscheiben geklebt. Jede Farbe ist auf der 113 Quadratmeter großen Fensterfläche gleich oft vertreten. Dunkle Töne überwiegen, weil helle in 20 bis 40 Meter Höhe wie Löcher gewirkt hätten, sagt Dombaumeisterin Schock-Werner. Richter hat den Farbkanon Fenstern des Mittelalters und des 19. Jahrhunderts entnommen. Damit soll sich das Werk harmonisch in die Umgebung einpassen. Entwürfe mit figürlichen Darstellungen, von Heiligen des 20. Jahrhunderts, die sich das Domkapitel gewünscht hatte, hätten sich nicht so gut eingefügt, meint Schock-Werner.
Das bisherige Fenster, ein Ornament aus den 1950er Jahren, war fast farblos. Dadurch wurden die Gläubigen, die gegenüber im Nordquerhaus saßen, besonders im Winter bei tief stehender Sonne geblendet. Das Originalfenster von 1863, das König Wilhelm I. von Preußen gestiftet hatte, war im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Eine Rekonstruktion kam nicht in Frage, weil sämtliche Unterlagen in Flammen aufgingen und nur ein einziges Schwarz-Weiß-Foto von außen existiert.
Die Kosten des neuen Fensters liegen bei 370.000 Euro - fast vollständig durch Geldgaben von 1.000 Spendern gedeckt. Richter hat auf ein Honorar verzichtet und den Entwurf dem Dom geschenkt.
Es ist sein erstes Kunstwerk für ein Gotteshaus. Zuvor habe ihn nie jemand dafür angefragt, sagt er. Einen Auftrag für diese berühmte Kirche hat der Wahl-Kölner besonders gern angenommen:
"Ich halte mich oft im Dom auf, nicht sonntags, aber zwischendurch. Er ist ein sehr schönes Bauwerk".
Dass ihm dabei auch religiöse Fragen durch den Kopf gehen, ist zu vermuten. Denn in seinem Werk sind viele religiös-existenzielle Fragen und christliche Motive zu finden, erläutert die Düsseldorfer Kuratorin Anette Kruszynski. Ein Bild aus Glas sei für ihn ein Fenster in eine andere Welt, sagt die Kunsthistorikerin. Damit stelle Richter die Grundsatzfrage: "Ist das, was ich sehe, die Wahrheit, oder muss ich das, was ich zu wissen glaube, in Frage stellen?"
Neues Richter-Fenster im Kölner Dom bis zur Einweihung verborgen
Glasgeheimnis hinter Plastikplane
Die Dombaumeisterin bleibt standhaft: Bis zur Einweihung hält sie das neue Fenster von Gerhard Richter für den Kölner Dom verborgen. Die weißliche Plastikfolie werde erst morgens vor dem Festgottesdienst am 25. August entfernt, teilt Barbara Schock-Werner allen Neugierigen mit. Dabei erwartet die Kunstwelt das Glaswerk des renommierten Künstlers für das Südquerhaus, wo besonders viel Sonne in die gotische Kathedrale hineinscheint, schon mit Spannung. Für einige Wochen bleibt nur der vage Eindruck, den die Gerüstplane hergibt.
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