Ökumenische Versammlung in Sibiu nimmt Arbeit auf - Grußbotschaft vom Papst

Keine "Kuschel- und Schummelökumene"

Die Diskussion um das unterschiedliche Kirchenverständnis hat den Arbeitsauftakt der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung (EÖV3) im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) geprägt. Dabei verteidigte der Präfekt des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, die katholische Position. "Es war nicht unsere Absicht, irgendjemand zu verletzen oder herabzusetzen", die katholische Kirche habe vielmehr die Unterschiede zwischen den Kirchen, "die leider bestehen", herausgestellt.

 (DR)

Kritik an der im Juli veröffentlichten Vatikan-Erklärung übten hingegen der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber. Die Versammlung mit mehr als 1.500 Delegierten aus allen christlichen Konfessionen dauert noch bis Sonntag.

Kasper sagte, durch das Papier der Glaubenskongregation fühlten sich viele evangelische Christen verletzt. Das lasse auch ihn nicht kalt. "Denn das Leid und der Schmerz meiner Freunde sind auch mein Schmerz", so der Kurienkardinal unter dem Beifall der Versammlung. Es sei nicht die Absicht des Vatikan gewesen, "irgendjemanden zu verletzen oder herabzusetzen".

Das römische Papier hatte die Auffassung des Vatikan von der Einzigartigkeit der katholischen Kirche unterstrichen. Die evangelischen Gemeinschaften seien hingegen nicht Kirchen im katholischen Sinne. Auch die orthodoxen Kirchen hätten "Defizite". Obwohl diese Position des Vatikan seit langem bekannt ist, löste die Erklärung heftige Proteste aus.

Huber: Aussagen des Vatikan belasten Ökumene
Bartholomaios I. wandte sich gegen eine "übermäßige Betonung von Exklusivität und kirchlicher Einzigartigkeit". Ein ökumenischer Dialog auf Augenhöhe sei absolut unverzichtbar. Huber unterstrich, keine Kirche könne allein das Licht Christi spiegeln. Die Aussagen des Vatikan seien ökumenisch belastend.
Der Berliner Bischof mahnte zugleich verstärkte Bemühungen um eine christliche Abendmahlsgemeinschaft an. Überall zeige sich, wie dringlich ein Fortschritt auf diesem Wege sei.

Nach den Worten Kaspers steht die Trennung der Kirchen dem Willen und dem Auftrag Jesu entgegen. "Wir dürfen deshalb die Spaltungen zwischen uns nicht als selbstverständlich hinnehmen". Sie seien vielmehr "Ausdruck von Sünde". Die Kirchen seien daher auch mitschuldig an den Spaltungen in Europa und an der Säkularisierung auf dem Kontinent.

In seinem Vortrag verwandte der Kurienkardinal den Begriff "Kirche" mehrmals auch in Anwendung auf die evangelische Seite.
So sprach er etwa von "getrennten Kirchen" und verwies darauf, dass auch dem Vatikan "nicht alle Erklärungen anderer Kirchen gefallen". Jüngst hatte auch ein Papier der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) zu Amt und Ordination für ökumenische Verstimmungen gesorgt.

Papst: Einheit in Vielfalt erfahrbar machen
In einem Grußwort drückte Papst Benedikt XVI. seine Hoffnung aus, dass die EÖV3 die Einheit der Christen in Europa voranbringe. Es müsse gelingen, "Begegnungsräume der Einheit in legitimer Vielfalt zu schaffen". Die sichtbare Einheit aller Christen nannte Benedikt XVI. eine "pastorale Priorität" seines Pontifikats. Die katholische Kirche werde "stets voll Zuversicht auf dem Weg der Einheit und der Gemeinschaft unter den Christen voranschreiten, der zwar schwierig, aber reich an Freude" sei.

Das Schreiben wurde vor Ort vom Nuntius in Rumänien, Erzbischof Jean-Claude Perisset, verlesen. Der Papst bezeichnet darin das Gebet als "Königsweg der Ökumene". Es befähige die Christen, "sich schmerzhaften Erinnerungen, an denen es in der europäischen Geschichte nicht fehlt, sowie sozialen Belastungen im Zeitalter des heute weithin vorherrschenden Relativismus mutig zu stellen".

Bei der EÖV3 diskutieren bis Sonntag Delegierte aus allen christlichen Konfessionen über politische und gesellschaftliche Fragen des Kontinents. Zugleich sollen von Sibiu starke spirituelle Impulse ausgehen. Veranstalter sind die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und der Rat der katholischen europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Gastgeberin ist die rumänisch-orthodoxe Kirche.

Unter den Teilnehmern der EÖV3 stellen die Katholiken mit 51,1 Prozent überraschend die Mehrheit. Die evangelischen Kirchen sind mit 29,6 Prozent der Teilnehmer vertreten; 11,8 Prozent sind Orthodoxe. Gäste des Treffens sind auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, der am Donnerstag ein Referat hält, sowie Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu. Zu den offiziell 2.498 Teilnehmern zählen den Angaben zufolge 1.538 Delegierte, rund 300 freiwillige Helfer und mehr als 300 Journalisten aus aller Welt.

Bartholomaios I. kritisiert "Charta Oecumenica"
In seiner Eröffnungsrede betonte der Budapester Kardinal und CCEE-Präsident Peter Erdö, der Weg der Ökumene sei "von der Härte des Kreuzes geprägt". Die Beharrlichkeit Christi lehre jedoch, in allen guten Dingen treu und konsequent zu leben.

Patriarch Bartholomaios I. nutzte seinen als "Meditation"
angekündigten Beitrag zu einer fast halbstündigen Grundsatzrede. Darin betonte er die Notwendigkeit der Ökumene und übte zugleich indirekt Kritik an der 2001 in Straßburg unterzeichneten "Charta Oecumenica". Das Papier sei nicht ohne Fehler. In der Charta hatten sich die europäischen Kirchen zu einer verstärkten Zusammenarbeit verpflichtet.

In seinem Vortrag sprach Bartholomaios I. ferner von einer "traurigen aktuellen Situation, die von der Konfusion der Werte und einem Kampf des Lichtes gegen die Finsternis geprägt ist".
Für Freitag rief der Patriarch zu einem gemeinsamen Fasten auf, um der Sorge über das "katastrophale und ignorante Verhalten" der Menschen gegenüber der Umwelt Ausdruck zu verleihen.

Fest zum Auftakt
Die EÖV3 hatte am Dienstagabend mit einem Fest auf dem Großen Markt in Sibiu begonnen. Am Donnerstag wird EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in der siebenbürgischen Stadt erwartet. Inhaltlich wird der Tag von Migrationsfragen bestimmt. Der Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen ist eines der Leitthemen der Versammlung, von der eine Reihe politischer Signale ausgehen sollen. Das Treffen findet erstmals in einem ostkirchlich geprägten Land statt. In Rumänien bekennen sich rund 82 Prozent der Bevölkerung zum orthodoxen Glauben. Zuvor hatte die EÖV 1989 in Basel und 1997 in Graz getagt.

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