Lehmann fordert Weltordnungspolitik im Kampf gegen Armut

Globale Massenarmut ein "Skandal"

Für den Kampf gegen die weltweite Armut fordert Kardinal Karl Lehmann internationale Ordnungsstrukturen. Diese müssten die Globalisierung sozialer gestalten, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Mittwoch in Berlin. Er würdigte die Arbeit kirchlicher Hilfswerke und deren Zusammenarbeit mit der öffentlichen Entwicklungshilfe. Lehmann äußerte sich beim traditionellen "Sankt Michael-Jahresempfang" der katholischen Kirche für Politik und Gesellschaft.

 (DR)

Lehmann bezeichnete die globale Massenarmut als "Skandal, der vor dem Forum der nationalen und internationalen Öffentlichkeit immer wieder angeklagt werden muss". Die Kirche sei verpflichtet, in dieser Frage das Weltgewissen aufzurütteln. Der für die Marktwirtschaft erforderliche Ordnungsrahmen sei nicht wertefrei, sondern müsse die sozialen Belange der Armen berücksichtigen und ihnen eine faire Chance der Beteiligung eröffnen. Mit der Globalisierung sei die soziale Frage nach einer gerechten Ordnung wieder aktuell. Dabei verwies der Kardinal auf den Erfahrungsschatz der katholischen Soziallehre und der evangelischen Sozialethik.

Die Armen direkt erreichen
Nach Lehmanns Worten bieten kirchliche Hilfswerke den Vorteil, dass sie die Armen oft viel direkter erreichen, als dies bei zwischenstaatlicher Zusammenarbeit möglich sei. Das gelte besonders für die Selbstorganisation der Armen. Die Massenarmut sei nur zu überwinden, wenn die Armen selbst immer mehr zu Trägern der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung würden. Die Förderung von Gesundheitsdiensten, Bildung, Gewerbe und Kleinkreditprogrammen sowie Hilfen beim Aufbau politischer und wirtschaftlicher Selbstorganisation erlaube den Armen, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen.

An dem Empfang nahmen Bundeskanzlerin Angela Merkel und eine Reihe von CDU-Mitgliedern ihre Kabinetts, darunter Ursula von der Leyen, Annette Schavan, Wolfgang Schäuble und Lothar de Maiziere, teil. Neben den Bundestags-Vizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) waren Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), die Fraktions-Geschäftsführer Norbert Röttgen (CDU), Volker Beck (Grüne) und Bodo Ramelow (Linkspartei) sowie zahlreiche Parlamentarier aller im Bundestag vertretenen Parteien in den überfüllten großen Saal der Katholischen Akademie gekommen. Unter den Gästen waren auch der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher sowie die designierte SPD-Vizevorsitzende Andrea Nahles.

Applaus für Nuntius Ender
Mit mehrfachem starkem Applaus wurde wenige Tage nach seinem 70. Geburtstag der Apostolische Nuntius, Erzbischof Erwin Josef Ender, geehrt, der in wenigen Wochen Deutschland verlässt. Von kirchlicher Seite nahmen unter anderen der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky, der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Aachens Bischof Heinrich Mussinghoff, der Görlitzer Bischof Konrad Zdarsa und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer, teil.

Aus der Ökumene begrüßte der Leiter des Katholischen Büros bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, den griechisch-orthodoxen Metropoliten von Deutschland und Exarchen von Zentraleuropa, Bischof Augoustinos Labardakis, sowie den Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Friedrich Weber. Am Rande des Empfangs präsentierten alle großen katholischen Hilfswerke der Bundesrepublik in einer kleinen Ausstellung ihre Arbeit.