Wenig konkrete Ergebnisse nach einem nervenaufreibenden Showdown

Klima-Krimi auf Bali

Ein solches Finale hätte sich kein Hollywood-Autor besser ausdenken können: Bis es beim Klimagipfel auf der indonesischen Insel Bali dann doch noch zu einem Abschluss kam, gab es eine Achterbahnfahrt der Gefühle, floss viel Schweiß und auch manche Träne.

 (DR)

EU und Entwicklungsländer hatten bereits 24 Stunden über das geplante Ende hinaus verhandelt, als sie am Samstag endlich einen Kompromiss auch in der letzten strittigen Frage dem Plenum präsentierten. Die Zustimmung galt als Formsache, bis die Verhandlungsführerin der USA, Paula Dobriansky, ihren Auftritt hatte: "Wir werden den Text zu diesem Zeitpunkt nicht akzeptieren."

Weil die UN-Regularien Konsens vorschreiben, hätte das ein Scheitern des 14-tägigen Gipfels bedeutet. Im Saal brach ein Sturm der Entrüstung los: "Grundlos und unerklärlich" nannten einige Minister die Entscheidung, andere machten ihrem Frust offen Luft: "Wir hatten auf ihre Führungsrolle gehofft, aber wenn sie das schon nicht machen, dann halten Sie uns wenigstens nicht auf."

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono hatten schon zuvor die Delegierten angefleht, ein Scheitern unbedingt zu verhindern. Schließlich gab Dobriansky klein bei: "Wir werden einem Konsens nicht im Wege stehen." Damit war der Weg frei für ein Happy End.

Der erhoffte Aufbruch bleibt aus
Doch der erhoffte große Aufbruch in der globalen Klimapolitik, den glanzvollen Schlusspunkt eines Jahres, in dem der Klimawandel so sehr im Mittelpunkt stand wie vielleicht noch nie, blieb aus. In den mühsamen Verhandlungen schaffte es die Europäische Union nicht, als klare Leitlinie eine ehrgeizige Senkung der Treibhausgasemissionen in das Schlussdokument zu schreiben. Nach einer langen Nacht blieb es bei einem Hinweis auf den Bericht des Weltklimarats und einer Fußnote. Die ab kommendem Jahr anstehenden Verhandlungen über die Details werden schwer werden.

"Es ist ein schwaches Abkommen, das kann man nicht leugnen", sagte der Klimaexperte Hans Verolme von der Umweltstiftung WWF über das Ergebnis von Bali. Vor allem die USA, aber auch Kanada, Australien, Russland, Japan und einige Entwicklungsländer mauerten. Gleichwohl bleibt die Tür offen, in den nächsten zwei Jahren bis zur Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 zu engagierten Vereinbarungen zu kommen. Denn die Papiere von Bali sind nur der Fahrplan und die Eckpunkte für die Verhandlungen über neue Klimaschutzvereinbarungen ab 2013.

So sagte auch ein erschöpfter Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
(SPD) in der Nacht zum Samstag zu dem Minimalkompromiss: "Wir von der EU können gut damit leben." Aber die Frustration ist bitter. Die Europäische Union und allen voran Deutschland waren angetreten, die Weichen für eine Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes in Industrienationen um 25 bis 40 Prozent bis 2020 zu stellen.

UN-Klimagipfel sind Marathon-Konferenzen
"Der Fahrplan braucht ein Ziel", hatten Gabriel und EU- Umweltkommissar Stavros Dimas unisono betont. Dies sollte ein Zwischenziel sein auf dem Weg zu einer Halbierung der weltweiten Emissionen bis 2050 - die Voraussetzung, um den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen, so die Wissenschaftler des Weltklimarats.

UN-Klimagipfel sind Marathon-Konferenzen. Weil die USA das Kyoto- Protokoll über eine erste Senkung der Treibhausgase bis 2012 um 5,2 Prozent nicht unterzeichnet haben, wird parallel auf zwei "Gleisen" verhandelt: Einmal in der Kyoto-Spur, und zum zweiten auf der Grundlage der Klimarahmenkonvention, der die USA beigetreten sind.

Im Klimaschutz der zwei Geschwindigkeiten gewinnt der Langsamste.
Doch es mache keinen Sinn, ein Klimaschutzabkommen ohne die USA, den größten Produzenten von Treibhausgasen, anzustreben, sagte UN-Klima- Chef Yvo de Boer. Denn Fernziel ist, eines Tages beide Spuren zu vereinen.

Das doppelte Spiel der USA
Umweltorganisationen warfen den USA vor, alles zu tun, um den UN- Prozess auszuhöhlen. "Ein doppeltes Spiel", sagte Christoph Bals von der Nord-Süd-Initiative Germanwatch. Damit die USA dann ihren eigenen Weg vorantreiben kann, Klimagipfel der 16 "großen Volkswirtschaften" abzuhalten. Das sind Staaten mit den meisten Emissionen, Industrie- und große Schwellenländer, die über freiwillige Klimaschutzmaßnahmen sprechen. Ganz anders als Kyoto, das verbindliche Ziele, aber zunächst nur für industrialisierte Staaten vorsieht.

Es gab wechselnde Allianzen. Der Showdown zwischen EU und USA im Streit um die Emissionen verhinderte nicht, dass beide eine gemeinsame Position gegenüber den Entwicklungsländern einnahmen. Die Gruppe der G-77 und China, in der 130 Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas verbunden sind, klagte über massiven Druck, selbst schon Verpflichtungen einzugehen. "Wir mussten um jeden Zentimeter kämpfen", sagte der G-77-Verhandlungsführer, der Pakistaner Munir Akram.

Ohne die USA, aber auch ohne die Entwicklungs- und Schwellenländer wird es nicht gelingen, die Emissionen bis 2050 zu halbieren. Was bleibt, sind kleine Fortschritte: Der Anpassungsfonds, der Entwicklungsländern helfen soll, die Folgen des Klimawandels besser zu bewältigen, wird 2008 arbeitsfähig sein. Für den geforderten Transfer von klimafreundlicher Technologie soll es ein Programm des Globalen Umweltfonds geben und Pilotprogramme sollen untersuchen, wie die Zerstörung von Wäldern eingedämmt werden kann. Aus Rodung und Bränden stammen bereits 20 Prozent der weltweiten Emissionen.

Von Marc Engelhardt und Elvira Treffinger (epd)