Wie Union und SPD bei der Stammzellforschung vorarbeiten um eine unpopuläre Entscheidung schnell abzuhaken

"Wenn schon kalt duschen, dann ganz schnell"

Noch vor Ostern soll das neue Stammzellgesetz verabschiedet werden.
Christoph Strack von der Katholischen Nachrichten Agentur beobachtet die Debatten um die Stammzellforschung und das Gezerre um den Stichtag seit Jahren und wundert sich nun, wie schnell eine so folgenschwere Gesetzesänderung durchgezogen werden soll, damit die Gesellschaft und die Kirchen sich wieder anderen Themen zuwenden können. Denn Umfragen haben gezeigt: Die Mehrheit der Deutschen will keine Änderung der Stichtagsregelung.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Natürlich, eine Anhörung zum Stammzellgesetz. Der Bundestag will sie, der zuständige Forschungsausschuss beschließt sie. Zügig, für den 3. März. So weit, so gut. Doch in diesen Tagen spielt sich hinter den Kulissen des Parlaments ein Tauziehen um höchstmögliches Tempo bei einer als Gewissensfrage beschworenen Entscheidung ab, das ungewöhnlich ist.

Die Forschungspolitiker und Parlamentarischen Geschäftsführer der Koalitionsfraktionen wollen allesamt vor Ostern - das heißt angesichts des Bundestags-Kalenders: in gut drei Wochen - das Stammzellgesetz geändert haben. Die harten Kontroversen sind der Unionsspitze lästig. Außerdem erinnern sich CDU-Politiker an die kalte Dusche durch die katholischen Bischöfe nach dem CDU-Bundesparteitag. Wenn schon noch einmal kalt duschen, dann ganz schnell durch.

So handelten die Forschungspolitiker vor und nach der Bundestagsaussprache am 14. Februar. Am Dienstag verständigten sich die Fraktions-Obleute im Forschungsausschuss auf den 3. März für die Anhörung. Die Bedenken der grünen Obfrau Priska Hinz, die zumindest auf den 10. März als Anhörungstermin dringt, wurden überstimmt. Am Mittwoch legte der Ausschuss nach.

Bis sich Hinz nach der Sitzung danach erkundigte, welche Fraktion denn komplett hinter dem Votum für den 3. März stehe. Jörg Tauss, SPD-Obmann im Ausschuss, versicherte ihr, die Sozialdemokraten stünden geschlossen hinter dem Termin - was angesichts der bislang ohne jeden Fraktionszwang geführten Debatte auch manchen Sozialdemokraten überraschen wird.

Tauss sagte auf Anfrage, bereits seit Ende Januar sei intern der 3.
März für die Expertenanhörung avisiert. "Das ist nun nicht zu kurzfristig", meint er. Die Befürworter einer Liberalisierung des Stammzellgesetzes hätten längst ihre Sachverständigen für diesen Termin verpflichtet - deren Kalender lasse sich nicht rasch um eine Woche ändern. Ähnlich emsig, so hört man von Unionsseite, arbeiteten dort Peter Hintze und Katherina Reiche (beide CDU) vor. Sie verzichteten fürsorglich darauf, jene Parteifreunde einzubinden, die zwar nicht im Forschungsausschuss sitzen, aber doch beim Thema Stammzellforschung engagiert sind und nicht ganz so forschungsfreudig denken.

Das Gerangel um den Termin passt zu manch anderem, was beim Thema Stammzellen irritiert. So standen - obwohl es um eine ureigene Angelegenheit der Abgeordneten geht - einseitig für eine Liberalisierung werbende Beiträge aus dem Bundesforschungsministerium lange im Intranet der Unionsfraktion. Und Forschungs-Staatssekretär Thomas Rachel (CDU) lud kurz vor der Ersten Lesung des Parlament zwei Wissenschaftler ins Ministerium, die vor Journalisten für eine Änderung des Stammzellgesetzes werben sollten. Als dann einer der beiden sich auf Nachfrage eindeutig hinter das FDP-Konzept eines kompletten Wegfalls der Stichtagsregelung stellte, bekam der Staatssekretär doch kalte Füße und bemühte sich rasch um eine Klarstellung, worum es ihm denn eigentlich gehe. Solche Anekdoten, die sich fortsetzen ließen, erinnern an das Strategiespiel, mit dem die CDU-Spitze beim Parteitag in Hannover die Delegierten beim Thema Stammzellforschung - wenn auch knapp - auf Linie brachten.

Übrigens: Wenn nur eine Fraktion geschlossen hinter dem Antrag auf eine Anhörung zu einem bestimmten Termin besteht, muss das vom Bundestagspräsidenten genehmigt werden. Einer spielte an diesem Mittwoch nicht mit: Norbert Lammert. Es gebe keinen Zeitdruck, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und wandte sich gegen den 3. März als Termin für eine Anhörung. Er unterstütze das Anliegen der Abgeordneten, die sich brieflich wegen mangelnder Vorbereitungszeit an ihn gewandt hatten. Die Vor- und Nachbereitung der Anhörung samt der Auswertung des Protokolls brauche Zeit. Diese Chance müssten die Abgeordneten haben. Da werden Hintze und Reiche noch etwas arbeiten müssen.