Erste Entspannungssignale in Kolumbien-Krise

Offener Konflikt vorläufig abgewendet

In der Krise zwischen Kolumbien und seinen Nachbarn Ecuador und Venezuela gibt es erste Entspannungssignale. Auf einer Sondersitzung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wurde am Mittwoch einstimmig eine Kompromissformel verabschiedet. Demnach betonte die OAS die Unverletzlichkeit der Grenzen, verzichtete jedoch auf eine ausdrückliche Verurteilung Kolumbiens. Die kolumbianische Armee hatte am Samstag auf ecuadorianischem Gebiet den Guerillaführer Raúl Reyes und 16 weitere Rebellen getötet.

 (DR)

Aus Protest gegen die Grenzverletzung haben Ecuador und Venezuela ihre diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abgebrochen und Truppen an die Grenzen geschickt. Kolumbiens konservative Regierung beschuldigt den sozialistischen Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, die FARC-Guerilla zu unterstützen und wirft ihm Völkermord vor. Chávez wiederum verurteilte das Vordringen kolumbianischer Soldaten auf ecuadorianisches Territorium als Kriegsverbrechen. Chávez hatte mit der Guerilla die Freilassung einiger Geiseln ausgehandelt.

In Lateinamerika werde sich nicht die «Bush-Uribe-Doktrin» präventiver Angriffe durchsetzen, sondern eine «Doktrin der Integration und des Friedens», sagte Chávez. In einem Telefonat mit dem französischen Staatschef Nicolas Sarkozy habe er seinen Friedenswillen betont. «Wir sind ein pazifistisches Volk, eine pazifistische Nation», so Chávez. Verteidigungsminister Gustavo Rangel sagte, er habe keinen Befehl zur Schließung der Grenze zu Kolumbien. Die an die Grenze verlegten Truppen werde mit Routineaufgaben betreut.

Zur Lösung der Krise will die OAS am 17. März zum ersten Mal seit 18 Jahren wieder eine Außenministerkonferenz abhalten. Zuvor wird, wie von Ecuador gewünscht, eine Kommission unter der Leitung des chilenischen OAS-Generalsekretärs José Miguel Insulza die Region besuchen. Der Staatenbund habe eine historische Probe bestanden, sagte Ecuadors Außenministerin María Isabel Salvador. Kolumbiens OAS-Botschafter Camilo Ospina betonte, er hoffe auf eine baldige Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen.

Bei einem Staatsbesuch in Venezuela sagte Ecuadors Präsident Rafael Correa, er bestehe auf einer expliziten Verurteilung des «Aggressors» Kolumbien durch die internationale Gemeinschaft. Wenn solche Aktionen wie der Angriff Kolumbiens auf ein Camp der FARC-Guerilla in Ecuador toleriert würden, bestehe die Gefahr, dass sich Lateinamerika in einen zweiten Nahen Osten verwandle. Chávez sicherte Correa seine volle Unterstützung zu.

Im kolumbianischen Radiosender RCN forderte Frankreichs Präsident Sarkozy die FARC auf, die seit sechs Jahren gefangen gehaltene kolumbianisch-französische Politikerin Ingrid Betancourt freizulassen. Dies sei eine Voraussetzung dafür, dass die Rebellenarmee von der Liste der Terrororganisationen gestrichen werden könne. Grenzen müssten respektiert werden, sagte er und fügte hinzu: «Demokratien müssen sich gegen Terroristen mit den Regeln der Demokratie verteidigen.»

Die linksgerichtete FARC («Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens») ist die größte Guerillaorganisation des südamerikanischen Landes. Der Bürgerkrieg zwischen linken Aufständischen, rechtsextremen Milizen und der Armee dauert seit mehr als 40 Jahren an. Die FARC hat Hunderte von Menschen als Geiseln in ihrer Gewalt.